75-Jahr-Jubiläum
Die katholischen Wurzeln der Sportunion

Die Diözesansportgemeinschaft (DSG) St. Pölten gehört zu den Union-Sportvereinen. DSG-Vorsitzender Josef 
Eppensteiner würdigt die „hervorragende, jahrzehntelange Zusammenarbeit mit der Sportunion, sowohl auf Diözesan- wie auch auf Österreich­ebene. Eppensteiner, der auch in der Landesleitung der Union Mitglied ist, hofft, dass die Union weiterhin ihre christlichen Wurzeln und Werte schätzt.
Auf dem Foto: DSG-Vorsitzender Josef Eppensteiner, NÖ-Sportunionpräsident Raimund Hager, Bischof Alois Schwarz, der in der Bischofskonferenz der zuständige Referatsbischof für Sport ist, und der Geschäftsführer der Sportunion, Markus Skorsch (v. li.). | Foto: zVg
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  • Die Diözesansportgemeinschaft (DSG) St. Pölten gehört zu den Union-Sportvereinen. DSG-Vorsitzender Josef
    Eppensteiner würdigt die „hervorragende, jahrzehntelange Zusammenarbeit mit der Sportunion, sowohl auf Diözesan- wie auch auf Österreich­ebene. Eppensteiner, der auch in der Landesleitung der Union Mitglied ist, hofft, dass die Union weiterhin ihre christlichen Wurzeln und Werte schätzt.
    Auf dem Foto: DSG-Vorsitzender Josef Eppensteiner, NÖ-Sportunionpräsident Raimund Hager, Bischof Alois Schwarz, der in der Bischofskonferenz der zuständige Referatsbischof für Sport ist, und der Geschäftsführer der Sportunion, Markus Skorsch (v. li.).
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Vor 75 Jahren – im Dezember 1945 – wurde die Sportunion Niederösterreich in St. Pölten gegründet. Ihre Wurzeln liegen in der christlichen Turn- und Sportbewegung, die beim Anschluss 1938 aufgelöst werden musste.

Schon im Mai 1945, knapp vor Ende des Zweiten Weltkriegs, war die Sportunion Österreich in Wien gegründet worden. In den folgenden Monaten ging es Schlag auf Schlag: Auf dem Gebiet der Diözese St. Pölten wurden Union-Vereine in Amstetten (26. Juni), Waid­hofen/Ybbs (8. August), Mauer-Öhling (29. August), St. Pölten (4. Oktober), Annaberg (21. Oktober), Tulln (1. November), Wilhelmsburg und Ardagger (jeweils am 2. Dezember) aus der Taufe gehoben. Heute bestehen allein in St. Pölten 25 Union-Vereine, zu denen auch die Diözesansportgemeinschaft St. Pölten zählt. Als Vorläufer der Union gilt die „Christlich-deutsche Turnerschaft“, die in St. Pölten im Jahr 1904 gegründet und 1938 – ebenso wie der jüdische Turnverein „TV Makkabi“ –, nach dem sogenannten Anschluss zwangsaufgelöst worden war (siehe Artikel „Kurze Geschichte der Sportvereine unten).

Es gibt wenige Aufzeichnungen über die allerers­ten Schritte zur Gründung der Österreichischen Turn- und Sport-Union 1945 in St. Pölten. Bekannt ist, dass sich bei Kriegsende in allen Bundesländern Turner und Sportler zusammenfanden, um über einen Neuaufbau im österreichischen Sportwesen zu beraten. Ein organisches Ineinandergreifen war vorerst durch die damaligen Verkehrsverhältnisse sowie die Unterteilung Österreichs in vier Besatzungszonen unmöglich. Jedes Bundesland war in der Gestaltung der Sportorganisation auf sich selbst angewiesen. Sportfunktionäre, die vor 1938 in christlichen Verbänden tätig waren, zählten 1945 zu den Gründungsvätern der Turn- und Sportunion (seit 2002 SPORTUNION). Doch obwohl man sich als Traditionsträger der christlichen Sportbewegung in Österreich sah und einen Großteil des Gedankengutes aus der Zeit vor 1938 übernommen hatte, wollte man in Zukunft jede Nähe zu einer politischen Ideologie, wie sie von der „Christlich-deutschen Turnerschaft Österreichs“ (CDTÖ) im Ständestaat praktiziert worden war, in Zukunft vermeiden. Bereits am 2. Mai 1945, vor Ende des Zweiten Weltkrieges, wurde im Wiener Schottenhof die Grundlage für die „Österreichische Turn- und Sport-Union“ (Union) gelegt.

1963: Spitzen-Leichtathletinnen in Schielleiten: Inge Aigner, Inge Kment, Eva Egger (verheiratet: Janko), Edda Lutz, Maria und Liese Sykora (verheiratet: Prokop). | Foto: Ingolf Wöll
  • 1963: Spitzen-Leichtathletinnen in Schielleiten: Inge Aigner, Inge Kment, Eva Egger (verheiratet: Janko), Edda Lutz, Maria und Liese Sykora (verheiratet: Prokop).
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Die Gründung der Sportunion St. Pölten ist mit jener der Union NÖ eng verbunden. Hans Lininger aus St. Pölten war die treibende Kraft für das Zustandekommen des NÖ Verbandes und der Gründungssitzung, die am 2. Dezember 1945 in St. Pölten stattfand. Nach der Bildung einer provisorischen Landesleitung, deren Mitglieder fast alle – ausgenommen Rudolf Herres – vor dem sogenannten Anschluss 1938 in der CDTÖ verankert waren, wurde der Verband offiziell erst sieben Monate später, am 14. Juni 1946, von der Sicherheitsdirektion Wien genehmigt.
Auf einer schlecht lesbaren und vergilbten Präsenzliste sind 15 Unterschriften vermerkt. Nur wenige Personen, die nicht aus St. Pölten stammten, konnten aufgrund der schlechten Verbindungen an diesem Sonntag nach St. Pölten reisen. Rudolf Herres, Landesfachwart der Union von 1945 bis 1947, erzählte später von den Schwierigkeiten der Anfahrt. So betrug die Fahrzeit des fallweise verkehrenden Zuges vom zerstörten Wiener Westbahnhof nach St. Valentin acht Stunden. Herres: „Die Menschen standen nicht nur auf den Trittbrettern und Puffern des Zuges, sie saßen auch dicht gedrängt auf den Dächern der Wagons. Niederösterreich war russische Besatzungszone und es war nicht ungefährlich, bei Einbruch der Dunkelheit unterwegs zu sein. Wiederholt kam es zu Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen.“

Historisches Foto von 1959: Sportunion-Mitglieder Horst Tischler und Alfred Bannert bei der Stadt­meis­terschaft auf der Rennbahn. | Foto: Archiv Union St. Pölten
  • Historisches Foto von 1959: Sportunion-Mitglieder Horst Tischler und Alfred Bannert bei der Stadt­meis­terschaft auf der Rennbahn.
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Neben der Union formierte sich 1945 auch der ASKÖ (Arbeiterbund für Sport und Körperkultur) neu und knüpfte an die Tradition vor 1934 an. Als dritter „Dachverband“ entstand 1949 der „Allgemeine Sportverband Österreichs“ (ASVÖ), in dem sich mehrheitlich jene Vereine zusammenfanden, die nicht den beiden anderen genannten Verbänden angehören wollten. Die drei „Dachverbände“ mit ca. 14.000 Sportvereinen und 60 Fachverbänden bemühen sich bis heute um den Sport in Österreich. Das Ziel der Vereine in früheren Zeiten war salopp formuliert: die Menschen zu animieren, regelmäßig Sport zu betreiben, um fit und gesund zu bleiben. Die Sportunion bietet ihren Mitgliedern Freizeit- und Breitensport an, ermöglicht aber auch Spitzensport. So waren die verstorbene Landespolitikerin und Spitzensportlerin Liese Prokop oder Inge Aigner, die in den 1960er-Jahren als schnellste Frau Österreichs galt, Union-Mitglieder. Heute gehören bzw. gehörten z. B. die erfolgreiche Hürdenläuferin Beate Schrott, die Leichtathletin und mehrfache Staatsmeisterin im Siebenkampf Ivona Dadic, der Handballer Viktor Szilagyi oder der Wasserspringer Erich Pils, der bei den Olympischen Spielen teilnahm, zur Sport­union St. Pölten.

Der Artikel entstand auf Grundlage der Bücher von Ingolf Wöll. Familiär ist er von Kindheit an mit der Sportunion verbunden. Sein Vater Fritz Wöll hat wesentlich zum Aufbau der Union St. Pölten beigetragen. Die Geschichte der Sportunion kann in mehreren Büchern nachgelesen werden. Infos: https://trendsport.sportunion.at/start.php? contentID=167740.

Anlässlich des 75. Bestandsfestes wurde das Buch „75 Jahre FREUZEITSPORT mit der SPORTUNION St. Pölten“ aufgelegt. (Autor Ingolf Wöll in Zusammenarbeit mit Susanne und Karl Preiss). Das Buch mit über 300 Seiten und mit rund 1000 Bildern (€ 28,75) kann im UNION-Sekretariat (Tel. 02742/71230) bestellt werden.

Kurze Geschichte der Sportvereine

Die Geschichte der Turn- und Sportvereine in Österreich sowie in Deutschland beginnt im 19. Jahrhundert. Der deutsche Pädagoge und national gesinnte Publizist und Politiker Johann Friedrich Jahn, bekannt als „Turnvater Jahn“ (1778-1852), initiierte die Turnbewegung, um die deutsche Jugend auf den Kampf gegen die napoleonische Besetzung vorzubereiten. Er eröffnete 1811 in Berlin den ersten öffentlichen Turnplatz. Doch von Anfang an wurde das Turnen in den regierenden Kreisen skeptisch gesehen, obwohl es sich rasch ausbreitete. Bereits 1820 wurde es in Preußen mit der sogenannten „Turnsperre“ vorläufig untersagt. In Österreich blieb die von Jahn gegründete Turnbewegung zunächst ohne großen Nachhall. Metternichs Überwachungsstaat hatte die Gründung von Turnvereinen bis 1860 weitgehend verhindert. Erst durch das kaiserliche Manifest vom 20. Oktober 1860, das sogenannte „Oktober-Diplom“, war die Gründung von Vereinen möglich geworden. Als Kaiser Franz Josef I. am 26. Februar 1861 für die gesamte Monarchie eine Verfassung, das „Februarpatent“, verlautbaren ließ, wurde mit dem „Wiener Turnverein“ am 15. Mai 1861 der erste in Österreich behördlich anerkannte Turnverein gegründet.

Odo Hahn gründete am 13. März 1904 den Christlich-deutschen Turnverein St. Pölten (CdTV). Die Vereinsfahne (Bild oben) wurde von Bischof Dr. Johannes Rößler (1850-1927) gesegnet. Noch vor dem Einmarsch der deutschen Truppen im Jahr 1938 konnte die Fahne versteckt und so vor der Vernichtung gerettet werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie nach Jahrzehnten in einem Keller des St. Pöltner Doms entdeckt.
 | Foto: Archiv Union St. Pölten
  • Odo Hahn gründete am 13. März 1904 den Christlich-deutschen Turnverein St. Pölten (CdTV). Die Vereinsfahne (Bild oben) wurde von Bischof Dr. Johannes Rößler (1850-1927) gesegnet. Noch vor dem Einmarsch der deutschen Truppen im Jahr 1938 konnte die Fahne versteckt und so vor der Vernichtung gerettet werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie nach Jahrzehnten in einem Keller des St. Pöltner Doms entdeckt.
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In der Folge kam es rasch zu Neugründungen von Vereinen, die sich zum „Turnkreis Deutschösterreich“ bzw. ab 1869 zur „Deutschen Turnerschaft“ zusammenschlossen. Doch obwohl in den Satzungen die Überparteilichkeit festgeschireben war, spalteten sich die Turnvereine in Österreich, die keine Juden in ihren Reihen duldeten, von der „Deutschen Turnerschaft“ ab. Ende des 19. Jahrhunderts sagte sich ein Teil der Arbeiterschaft vom Bürgertum los, es entstanden mit der Arbeiter- Turn- und Sportbewegung eigene Vereins- und Verbandsgefüge. Auch wenn die Katholiken damals 91,6 Prozent der Österreicher ausmachten, sahen sie sich in bestehenden Turnvereinen mit Konflikten konfrontiert. Als Folge wurde am 22. März 1900 in Wien der „Christlich-deutsche Turnerbund“ gegründet. Dort sollte allen Männer und Frauen mit katholischer Weltanschauung die Möglichkeit geboten werden, ungehindert und „unbespöttelt“ unter Gleichgesinnten zu turnen. In diesen Jahren entstanden auch die Kolpings-Turnerschaft sowie die Sportsektion des Reichsbundes der katholisch-deutschen Jugend Österreichs.

Der erste christliche Turnverein außerhalb von Wien entstand in St. Pölten. Nachdem katholische Mitglieder bei einem Schauturnen am 18. Mai 1898 mit Schimpfworten bedacht wurden und die Belästigungen auch danach kein Ende nehmen wollten, gründete Odo Hahn schließlich am 13. März 1904 den Christlich-deutschen Turnverein St. Pölten (CdTV). Die Vereinsfahne (Bild oben) wurde von Bischof Dr. Johannes Rößler (1850-1927) gesegnet. Noch vor dem Einmarsch der deutschen Truppen im Jahr 1938 konnte die Fahne versteckt und so vor der Vernichtung gerettet werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie nach Jahrzehnten in einem Keller des St. Pöltner Doms entdeckt.

Autor:

Sonja Planitzer aus Niederösterreich | Kirche bunt

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