Überlegungen zu einem Priesterjubiläum
In den ältesten Ordnungen für die Feier eines Priesterjubiläums wird der Jubilar gefragt, was er sich wünscht, was sein Begehren ist. Und der Jubilar antwortet dann darauf: Ich bitte aus ganzem Herzen um das Erbarmen Gottes und die Gnade des Jubeljahres.
Nicht der stolze Blick auf das, was der Jubilar alles erreicht und geschaffn hat:
- wie viele Kinder er getaufthat, wie viele Trauungen er gehalten und wie viele Menschen er bestattet hat;
- wie viele Messen er gefeiert und wie viele Predigten er gehalten hat;
- wie viel Zeit und Kraft er investiert hat, um jungen Menschen den Glauben zu verkünden: im Religionsunterricht, bei der Erstkommunion- und Firmvorbereitung;
- oder wie viele kirchliche Gebäude in seiner Amtszeit renoviert und instandgehalten wurden.
Nein! Nicht der Blick auf all das soll bei einem Jubiläum im Vordergrund stehen, sondern das Bewusstsein, dass der Priester bei allem Bemühen und allen Erfolgen auf das Erbarmen Gottes angewiesen ist und bleibt, und auch vieles nicht getan und erreicht hat, was ihm als Priester aufgetragen war.
Aber was ist eigentlich die Aufgabe eines Priesters? Brauchen wir überhaupt Priester? Worum geht es bei dem Vielen, das ein Priester tut und tun muss?
Der Apostel Paulus kann uns da weiterhelfen. Er schreibt in seinem 2. Brief an die Christengemeinde in Korinth (4,5): „Nicht uns selbst verkünden wir, sondern Jesus Christus als den Herrn, uns aber als eure Knechte (= Diener) um Jesu willen.“
Da wird uns unmissverständlich bedeutet, Aufgabe eines Amtsträgers, eines Priesters oder eines Bischofs, ist es, den Menschen Jesus Christus zu verkünden: dass Jesus Christus, der Sohn Gottes, der von Gott gesandte Retter und Erlöser der Welt ist, der am Kreuz gestorben und auferstanden ist und der jetzt wieder bei Gott im Himmel lebt; dass er der Herr der ganzen Welt ist, der wiederkommen wird, zu richten die Lebenden und die Toten, und der auch weiterhin auf sakramentale Art und Weise in der Kirche lebt und wirkt.
Das ist der Dienst, der dem Priester bei seiner Weihe aufgetragen wird: den Menschen mit der ganzen Existenz seines Lebens Jesus Christus zu verkünden und sie hinzuführen zu ihm und einzuführen in die Freundschaft mit ihm, der in der Kirche lebt und wirkt.
Der priesterliche Dienst besteht nicht darin, dass der Priester alle Erwartungen und Wünsche der Menschen erfüllt, sondern dass er bei allem, was er tut und tun muss, den Menschen Jesus Christus verkündet.
Deshalb soll ein Priester bei einem Jubiläum nicht in erster Linie stolz auf all das zurückblicken, was er geleistet hat, und was in seiner Amtszeit alles an Gutem geschaffn wurde, sondern vor allem um das Erbarmen Gottes bitten. Und warum? – Weil ein Priester bei all seinem Bemühen und seinem Einsatz immer hinter seinem Auftag zurückbleibt und er es den Menschen, die ihm anvertraut sind, durch seine Grenzen und Schwächen auch schwer machen kann, an Gott bzw. an seinen Sohn Jesus Christus zu glauben.
Aber brauchen wir überhaupt den priesterlichen Dienst? Wollen die Menschen wirklich, dass der Priester ihnen hilft an Gott bzw. an seinen Sohn Jesus Christus zu glauben? – Ich denke, wir dürfen uns da gar nichts vormachen: Viele unserer Zeitgenossen, denen Glaube und Kirche nichts oder nicht viel bedeuten, brauchen den priesterlichen Dienst nicht. Andere wieder wollen vom Priester nur, dass er den Kindern eine schöne Erstkommunion, den Eheleuten eine feierliche Hochzeit bereitet, beim Tod eines Verwandten die Aufgabe eines tröstenden Begleiters übernimmt, oder ihnen hilf, irgendwelche andere Interessen zu verwirklichen. Da vieles davon heutzutage auch Laien, Nichtpriester, Frauen und Männer oder Diakone tun können, stellt sich umso dringender die Frage: Wozu braucht man dann eigentlich noch den Priester? –
Die Antwort lautet: Aufgabe des Priesters ist es, im Namen und im Auftag Jesu Christi zu handeln und zu wirken. Der Priester steht nicht für sich selbst, sondern für Christus. Ihn, Jesus Christus, soll er verkünden, wie der Apostel Paulus sagt, und die Menschen zu ihm, Jesus Christus, hinführen. Er, Jesus Christus, ist der Retter und Erlöser der Welt und nicht der Priester! Der Priester verfehlt seine Berufung, wenn er sich selbst in Szene setzen und die Menschen nicht für Christus, sondern für sich begeistern will.
Durch den Priester soll konkret erfahrbar sein, dass die Kirche nicht ohne Christus leben und handeln kann (Winfried Haunerland). Die Kirche wächst und lebt aus der Eucharistie. So formulierten es die Bischöfe auf unserem letzten Konzil in Rom. Weil das so ist, und die Eucharistie, die Feier der heiligen Messe, nicht ohne den Priester gefeiert werden kann, der, wie der Fachausdruck heißt, in der Feier der heiligen Messe in persona Christi über Brot und Wein die Wandlungsworte spricht, braucht die Kirche den Dienst des Priesters heute genauso dringend wie zu allen Zeiten.
In kirchlichen Kreisen wird derzeit zumeist eine tiefe Kirchenkrise diagnostiziert, die sich unter anderem auch in den immer leerer werdenden Kirchen und in den hohen Kirchenaustrittszahlen manifestiert. Wer aber genauer hinsieht, weiß, dass es sich gegenwärtig nicht bloß um eine Kirchenkrise, sondern vor allem um eine echte Glaubenskrise handelt, die sich mit den Worten beschreiben lässt: „Jesus ja – Christus bzw. Sohn Gottes nein!“
Viele unserer Zeitgenossen und selbst Christen haben nichts gegen Jesus. Im Gegenteil, sie halten ihn für einen großartigen Menschen, und er ist für sie in gewisser Weise auch ein Vorbild. Aber sie haben große Mühe mit dem Bekenntnis, dass dieser Jesus der eingeborene Sohn Gottes ist, der als der Auferweckte unter uns gegenwärtig ist, der der Retter und Erlöser der Welt ist, der richtige Weg zum Leben in Fülle, zu Gott in den Himmel.
Und in der Tat! Wie viele, die getauftund gefimt sind und bei der Erstkommunion waren, glauben wirklich, dass Jesus Christus kein Toter der Vergangenheit ist, sondern lebt, bei Gott im Himmel lebt, aber auch in der Kirche lebt und wirkt? Wie viele glauben wirklich, dass wir es mit ihm, Jesus Christus, zu tun haben, wenn wir in der Kirche zusammen sind, um die heilige Messe zu feiern? Dass er, Jesus, es ist, der da zu uns spricht und mit uns das Mahl, das Abendmahl, feiert und in der Kommunion in einem Stück Brot zu uns kommt, um unser Leben immer mehr in sein Leben zu verwandeln? Und dass auch alle anderen Sakramente „Orte“ sind, wo wir es mit Christus zu tun haben, wo er uns heute begegnen möchte?
Wenn oft geklagt wird, dass wir einen Priestermangel haben, dann sollten wir nicht außer Acht lassen, dass wir einen noch größeren Christenmangel haben. Uns fehlen überzeugte Christen, Menschen, die wirklich an Jesus Christus glauben, auf ihn hören, mit ihm leben und sich bemühen, dass zu tun, was er uns sagt.
Selber mit Freude und Begeisterung ein Christ sein! Das wäre nicht nur ein ganz persönlicher Beitrag, den jede und jeder von uns zur Erneuerung der Kirche leisten kann, sondern auch die Voraussetzung dafür, dass Menschen auch heute in unserer Zeit auf die Idee kommen, Jesus Christus nachzufolgen und ihm zu dienen, sei es als Priester oder in einem Orden oder in einem anderen kirchlichen Beruf. Es gibt nichts Schöneres, als Jesus Christus zu kennen und die Freundschaftmit ihm anderen zu schenken.
Und selbstverständlich sollen wir auch um gute Priester, um von Christus erfüllte Priester, beten, die Seine Liebe zu den Menschen bringen. Jesus selbst fordert uns dazu auch ausdrücklich auf: „Bittet, den Herrn der Ernte, Arbeiter in seinen Weinberg zu senden“ (Mt 9,37f).
ERICH SEIFNER, EM. STADTPFARRER, OBERWART
Autor:martinus Redaktion aus Burgenland | martinus |
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