Rückblick auf ein bewegtes Leben
Versöhnt aufs Leben schauen

"Ich würde nichts anders machen", meint Ersilia Ecker rückblickend auf ihr Leben.  | Foto: Kaltenhauser
  • "Ich würde nichts anders machen", meint Ersilia Ecker rückblickend auf ihr Leben.
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Als italienischsprachige Trentinerin kam sie nach Innsbruck und erlebte dort den 2. Weltkrieg. Mit vier Kindern musste sie die neu gewonnene Heimat Richtung Linz verlassen und schließlich die Scheidung ihrer Ehe hinnehmen. Ersilia Eckers Leben war alles andere als einfach. Dennoch blickt sie voll Dankbarkeit und Zuversicht zurück – und nach vorn.

Nein, anders machen würde sie nichts, da ist sich Ersilia Ecker sicher: „Man muss im Leben viel mitmachen, aber man lernt immer daraus.“ 94 Jahre alt ist sie, Ruhe und eine tiefe Versöhntheit mit dem Leben strahlen aus ihren klaren Augen – es ist kein kluger Spruch, den sie sagt, sondern reine Lebenserfahrung.

Jugend im Krieg. Geboren ist sie als älteste von zwei Schwestern 1928 im Südtiroler Fleimstal, an der Grenze zum Trentino. Die Eltern hatten eine kleine Landwirtschaft. „Einen oder zwei Äcker, ein Schweindl, fünf Hennen, das war alles.“ Der Vater arbeitete auswärts, wie die meisten Männer. Ersilia besuchte die Volksschule in Bozen, sie konnte nur Italienisch, daheim wurde ein Trentiner Dialekt gesprochen. Weil der Vater nicht in der faschistischen Partei war, fand er keine Arbeit mehr und kam 1938 als Baupolier nach Innsbruck. „Optiert haben wir aber nicht, wir waren ja keine Südtiroler, sondern Trentiner“, erklärt Ersilia. Der Vater suchte jedoch in Innsbruck um die deutsche Staatsbürgerschaft an. So konnte er die Familie nach Tirol holen. Ersilia und ihre Schwester besuchten die Volksschule in Mühlau, ohne ein Wort Deutsch zu können. Während des 2. Weltkriegs begann Ersilia in Pradl eine Lehre als Konfektionsschneiderin und blieb mit dem Vater in Innsbruck, während ihre Mutter und Schwester zur Cousine nach Sistrans zogen. „Der Luftschutzkeller war ein Witz, wir gingen immer in den Stollen nach Amras“, erinnert sie sich. Bei einem schweren Bombenangriff auf Innsbruck hat der Vater ihr das Leben gerettet. Im Stollen von Amras entstand beim plötzlichen Bombardement eine Massenpanik, der Vater stemmte sich schützend zwischen die Menschenmenge und sie. „Die zertretenen Menschen, die kaputten Kinderwägen: Ich sehe es alles heute noch vor mir“, erzählt sie.

Wieder eine neue Heimat. Nach dem Krieg lernte Ersilia ihren Mann kennen, er studierte Jus, sie schneiderte, das Paar bekam vier Kinder. Weil ihr Mann als Oberösterreicher keine Aussicht auf eine Stelle beim Land Tirol hatte, zog er nach Linz. Nach einer Weile kam Ersilia mit den Kindern nach. „Und als ich dort war, war die Ehe nicht mehr, wie sie sein sollte.“ Zum ersten Mal wird Ersilias Blick traurig, ihre Finger suchen Halt in der selbstgestrickten Decke auf ihrem Schoß. Heimweh sei dazugekommen, sie habe viel geweint. Schließlich kam noch ein fünftes Kind auf die Welt. Jahre, nachdem ihr Mann schon ausgezogen war, reichte er schließlich die Scheidung ein. Damals ein kompliziertes juristisches Prozedere mit vielen Auflagen für die Frau: „Man musste über 52 sein und durfte nichts selbst verdienen“, schildert sie die Situation. In all dem Schmerz habe ihr geholfen, „real zu denken: Was kann man da machen? So eine Ehe kann man nicht aufrecht erhalten.“ Mit einer Freundin reiste sie viel – Kairo, London, Berlin, Rom – und holte ein Stück Leichtigkeit nach, die ihr bislang im Leben verwehrt geblieben war.

Guter Rat von Maria. Seit vier Jahren ist sie zurück in Innsbruck, wohnt im Haus St. Josef am Inn und fühlt sich sichtlich wohl. Stolz und dankbar ist sie für die große Schar an Enkeln und Urenkeln – sogar ein Ururenkel ist dabei. „Die Kinder geben mir Hoffnung. Auch im Angesicht des Krieges vor unserer Haustür.“ Ihr ganzes Leben lang hat Maria ihr Kraft gegeben, liebevoll ruht ihr Blick auf einem Bild der „Muttergottes vom guten Rat“ aus der Innsbrucker Spitalskirche. „Sie hat mich immer gestärkt, auch in den schwierigsten Situationen. Manchmal fühlt sich‘s an, als ob sie in meinem Zimmer vorbeikommt“, sagt sie mit einem Zwinkern in ihren warmen Augen – ruhig und versöhnt, dankbar und voll Vertrauen.«

Autor:

Lydia Kaltenhauser aus Tirol | TIROLER Sonntag

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