3. Fastensonntag (Lesejahr A) - 15.03.2020 - Kommentar von Alfred Jokesch
Wasser aus der Tiefe

Der Jakobsbrunnen ist tief. Um an sein Wasser zu gelangen, wird an einem langen Strick ein Eimer hinabgelassen, bis er ganz im Dunkel des Schachtes verschwunden ist. Nach langwierigem Kurbeln taucht dann das mit klarem Wasser befüllte Gefäß wieder an der Oberfläche auf. In einer sehr schönen und meditativen Filmsequenz wird dieser Vorgang bei den Kainbacher Passionsspielen auf eine Leinwand projiziert, um die Szene mit der Samariterin visuell zu unterstützen. Als sie Jesus begegnet, singt die Frau: „Gib mir dieses Wasser, dass ich nie mehr durstig bin. Gib mir dieses Wasser, gib meinem Leben endlich Sinn. Gib mir dieses Wasser, still meine Sehnsucht ganz und gar. Gib mir dieses Wasser, sag einfach Ja.“

Für die Bewohner Sychars war es somit eine täglich erfahrene Wirklichkeit: Für das lebensnotwendige Wasser muss man in die Tiefe graben und weit in das Innere des Bodens vordringen. Bei der samaritischen Frau hat Jesus allerdings schnell gespürt, dass sie nach viel mehr dürstet als bloß nach Wasser. Da gibt es unerfüllte Sehnsüchte, biographische Dürreperioden, ein existenzielles Ausgetrocknet-Sein. Sie hat wohl schon des öfteren Ablehnung und Zurückweisung erlebt und sehnt sich nach jemandem, der zu ihr – mitsamt ihrem Scheitern, ihren Verirrungen und Abgründen – voll und ganz Ja sagen kann.

Jesus lässt sich auf die Begegnung mit der Außenseiterin ohne Vorbehalte ein. Dadurch hilft er ihr, in die Tiefe ihres eigenen Wesens einzutauchen und den Mut aufzubringen, auch die dunklen Bereiche ihrer Geschichte anzuschauen und den Lebensquell freizulegen, der tief in ihr selbst verborgen ist.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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