Verklärung des Herrn | 6. August 2023

Meditation

Orangensaft ist aus!

Urlaub als Ordensmann ist einigermaßen klar geregelt. Wir haben dafür jährlich vier Wochen zur Verfügung und ein festes Budget an „Urlaubsgeld“. Ansonsten sind wir relativ frei, aber angehalten, auch im Urlaub zu bedenken, dass wir Ordensmänner sind, zumal solche, die sich in der Tradition des heiligen Franziskus der Armut verschrieben haben.

Recht enttäuschend präsentierte sich in meinem letzten Urlaub das Frühstücksbuffet. In der Praxis bestand es aus den üblichen Wurst- und Käseplatten, einer Müsli-Bar, Brot und Brötchen und ein bisschen Rührei mit gebratenem Speck. Das ist natürlich alles mehr als reichlich, aber wenn vorher die Bilder ein königliches Buffet versprechen, ist die Enttäuschung später doch einigermaßen groß. Zumal dann, wenn man innerhalb einer Woche auch noch mehrere Pannen mitbekommt: Einmal ging die Kaffeemaschine nicht, der Automat für den Multivitaminsaft war sowieso kaputt, und bei den gekochten Eiern hat offensichtlich in der Küche jemand etwas vertauscht, so dass eines Tages dort ein Korb mit ungekochten Eiern stand ...

Ein Gast wollte sich nun eines Morgens nicht damit abfinden, dass es nicht nur keinen Multivitaminsaft gab, sondern auch der Orangensaft nicht zu finden war. Mehrere hatten schon danach gesucht, aber er wagte es schließlich, die durchaus freundliche Bedienung anzusprechen. Ja, sie würde gleich mal nachschauen – verschwand in der Küche und kehrte nach fünf Minuten zurück: „Orangensaft ist leider aus!“
Ich muss gestehen: Das zu glauben fiel mir reichlich schwer. Nachdem das Frühstücks-buffet auch ansonsten eher von der sparsamen Sorte war, hatte ich für mich bald die innere Gewissheit: Da wird also noch weiter gespart. Heute der Orangensaft, morgen die Rühreier und übermorgen gibt’s vermutlich keine Brötchen. Da hat sich in mir doch eine ordentliche innere Enttäuschung zusammengebraut.
Der Mann, der so freundlich nach dem Saft gefragt hat, hat unterm Strich aber wohl den besseren Weg gewählt. Er bedankte sich artig für die Auskunft, meinte, dass das nichts machen würde, und ließ sich einen Apfelsaft einschenken.
Vermutlich so ganz ohne schlechte Hintergedanken. Tja, so geht es eben auch.

Andreas Murk, Es wird weitergelebt. Aufregungen und Ermutigungen aus dem Alltag, Echter 2023.