Christkönigssonntag | 20. November 2022
Meditation

Foto: Neuhold

Die Zukunft ist offen

Ein Leben lang haben wir mitgedacht und mitgefochten auf der Suche nach einer Welt nicht der Mächte und des Geldes, sondern der Menschen. Was können wir im Alter noch tun? Wenn eine der Aufgaben der Menschheit darin bestehen sollte, vor allem Tun und Kämpfen und Wirken zur Besinnung zu kommen und nachzudenken, so liegt vielleicht ein Teil des Auftrags, den ein alter Mensch leisten kann, im stellvertretenden Verzicht auf Eile, auf Streit und Angriff. Dann wird sein Beitrag Gelassenheit sein.

Wir werden also neben aller Mitwirkung vor allem viele Formen des Lassens einüben. Unterlassen, was nicht getan sein muss. Hinter uns lassen, was nicht festzuhalten ist. Weglassen, was entbehrlich, auslassen, was nur die Mode des Tages ist. Loslassen, was nur die Hände beschäftigt. Verlassen, was auf die Dauer keinen Schutz bietet. Sich selbst verlassen, sodass wir finden können, was verlässlich ist. Auf die offene Zukunft vertrauen und auf sie hinwirken mit Geduld und Freundlichkeit …

Unser Leben währt nicht, bis der Tod es beendet. Wir sind vielmehr in der Hand des Todes, bis wir frei werden und ins Leben treten, hinüber in ein von Gottes Geist erfülltes Dasein ohne Raum und Zeit. Was uns tragen wird, wird der Wind sein, den wir den Geist Gottes nennen.

Was mag uns nach unserem Hinüberflug erwarten? Wenn in Gott jene Dynamik, jene weiter- und vorwärtsdrängende Kraft ist, die uns von der Geschichte und Bewegtheit unserer Welt so eindrucksvoll vor Augen steht, dann heißt in Gott sein: teilhaben an dieser seiner Dynamik.

Ich verstehe wohl, dass mancher von uns nach einem mühsamen Leben müde ist und sich danach sehnt zu ruhen. Aber ich kann mir nicht denken, wir brauchten eine Ewigkeit, um unsere Müdigkeit auszuschlafen. Nein, ich denke, wir werden nach unserem kurzen Tod in hellwachem Zustand hinüberkommen.
Und was ich mir auch nur schlecht vorstellen kann, das ist, ich hätte dort nichts zu tun. Ich würde eine Ewigkeit lang arbeitslos und selig sein. Nein, ich stelle mir, bei aller Vorsicht, vor, dass ich anders sein werde als hier. Ich werde andere Aufgaben haben und andere Kräfte. Aber dass ich irgendwo herumliegen, herumstehen oder in einem himmlischen Sofa sitzen werde, das erschiene mir absurd. Nein, die Arbeit wird weitergehen, die gemeinsame Arbeit an der kommenden Welt.

aus: Jörg Zink, Ufergedanken, Gütersloher VH

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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