25. Sonntag im Jahreskreis | 18. September 2022
Meditation

Foto: istock.com

Nur zu bald

Wirf deine Angst in die Luft.

Bald ist deine Zeit um.

Bald wächst der Himmel
unter dem Gras.

Fallen deine Träume
ins Nirgends.

Noch duftet die Nelke,
singt die Drossel,
noch darfst du lieben,
Worte verschenken.

Noch bist du da.

Sei, was du bist.
Gib, was du hast.

Ein unvergleichliches Gedicht von Rose
Ausländer, der Jüdin aus Czernowitz,
die gerade noch vor den Nazi-Schergen
in die USA flüchten konnte.

Die Kraft, die von diesen scheinbar so
einfachen Worten ausgeht, ausgehen kann.
Stärke, deren wir uns oft nicht einmal bewusst sind.
Jeder Tag, der gelingt,
gibt etwas
für ein Morgen.
Die Angst in die Luft werfen,
vielleicht scheint es unmöglich
an vielen Tagen.
Viel zu schwer, die Last ist zu schwer,
schon zu oft probiert und nie geglückt,
immer blieb es auf den Schultern liegen,
das Schwere, das Undurchdringbare, das
sich festsetzt und nie mehr wieder weggeht,
das klebt an den Gedanken jede Stunde.

Keine Muskeln, um jeden Tag zu schaffen.
Vielleicht fehlt das Training?
Nicht immer nur das Große schaffen,
die vielen Kilo in die Höhe und gegen
den Widerstand, nicht so anpruchsvoll,
beginnen mit einer kleinen Herausforderung, die nicht das große Ziel ist, sein muss.
Das, das uns plötzlich zu einer Ehrenmedaille verhilft, das uns plötzlich zur Siegerin macht.
Worte verschenken, ganz egal an wen.
Jedes einzelne macht fitter für das nächste,
das gelingen kann.

Geben kann jeder.
Damit die Träume nicht ins Nirgends fallen.

Gisela Remler

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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