6. Sonntag der Osterzeit | 22. Mai 2022
Meditation

Auf dem obersteirischen Himmelkogel verkündet das Jubiläumskreuz die Botschaft: Du bist nicht allein. Jesus sagt: Ich bin bei euch alle Tage. | Foto: Neuhold
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Utopie?

Wir feiern und genießen vierzig Tage nach Ostern und zehn Tage vor Pfingsten den freien Donnerstag, Christi Himmelfahrt. Aber beschleicht uns nicht mangels genauer Kenntnis dessen, was wir da feiern und genießen, die Sorge, es könnte jemand danach fragen?

Nur im Lukasevangelium und in der ebenfalls von Lukas verfassten Apostelgeschichte wird die Himmelfahrt Jesu berichtet, und erst im Jahr 380 begann die Kirche, das Fest liturgisch zu feiern. Schon der Bischof und Kirchenlehrer Augustinus (354–430) wusste: Gott hat sich nicht hinter Wolken versteckt, sondern in den Herzen seiner Freunde den Himmel eingerichtet … Himmelfahrt ist also keine Kosmonautenreise ins All, und Himmel ist kein Ort irgendwo zwischen den Milchstraßen, kein Ort voller Milchstraßen.

Während wir im Deutschen nur ein Wort für Himmel haben, unterscheiden die Engländer zwischen „sky“ und „heaven“. „Sky“ ist der Ort der Flugzeuge und Raketen, „heaven“ ist das Geborgensein bei und in Gott. Das Ziel der Himmelfahrt ist nicht „sky“, sondern „heaven“, nicht Abkehr von der Welt der Menschen, sondern Heimkehr zu Gott, dem Vater, nicht Verenden im All, sondern Vollenden in Gott.

Die lokal anmutenden Bezeichnungen oben und unten, Höhe und Tiefe etc. sind auch in unserem Sprachgebrauch längst zu Metaphern für unsere Befindlichkeit geworden. Wir sagen: Ich bin nicht ganz auf der Höhe. Ich bin unten durch. Ich bin obenauf. Ich stecke tief drin etc.

All das meint keine räumliche Lagebeschreibung, sondern eine innere Zustandsbeschreibung, und wir verstehen es unmittelbar. Himmelfahrt Jesu meint seine Erhöhung zu Gott hin. Himmelfahrt Jesu ist aber auch Verheißung für uns, sie meint auch unsere Vollendung in Gott.

Christi Himmelfahrt sagt: Himmel ist nicht mehr ein leerer, abstrakter Raum, sondern liebende Beziehung, endgültige Beheimatung, vollkommene Geborgenheit.
Ist das nicht alles utopisch? Ja, das ist utopisch. Das Wort Utopie heißt nämlich „kein Ort“. Himmel ist kein Ort, den wir in Raum-Zeit-Koordinaten mit Längen- und Breitengraden verorten könnten. Himmel ist das Ende der Endlichkeit, ist endgültige, das heißt die ohne Ende gültige Beheimatung. Nicht das Verenden im Nichts, sondern das Vollenden in Gott, das ist unser Lebensziel.

aus: Ulrich Lüke, Einladung ins Christentum, Kösel Verlag

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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