2. Sonntag im Jahreskreis | 16. Jänner 2022
Meditation

Foto: Andre Grunden

Ökumenisches Kartenspiel

Der frühere Superintendent der Evangelischen Kirche der Steiermark erzählt: Zur III. Europäischen Ökumenischen Versammlung im rumänischen Sibiu reiste die hochrangige österreichische Delegation nicht per Flugzeug, sondern mit dem Zug an. Bereits in den Schlafwagenabteilen ökumenisch durchmischt. In Sibiu selbst war die österreichische Delegation dann die einzige, die für jeden Tag eine gemeinsame Sprecherin oder einen gemeinsamen Sprecher für alle österreichischen Kirchen wählte. Das erregte unter den anderen Delegationen, die oft sehr konfessionell getrennt agierten, gewisses Aufsehen.

Unvergesslich bleibt aber vor allem die Rückfahrt: Wiederum die gesamte österreichische Delegation im Schlafwagen. Dieser sollte in Budapest umgekoppelt werden, doch der Zug nach Wien war bereits weg. Und so wurde die österreichische Ökumene in Budapest für vier Stunden aufs Abstellgleis gestellt. Dazwischen für einige Minuten zur Reinigung durch die Waschanlage gejagt. Aber es gab in dieser Zeit weder Strom noch Kaffee noch Frühstück. Was macht man so lange?

Da kam es in einem Abteil zu einem inzwischen legendären Kartenspiel („Schnapsen“). Ich weiß nicht mehr genau, wer die vier Beteiligten waren, Bischof Michael Bünker war auf jeden Fall mit dabei (ich war nur Zuschauer). Die Vereinbarung war, jeder konnte im Vorfeld einen ökumenischen Wunsch äußern für den Fall, dass er die nächste Runde gewinnen würde. So wünschte sich die katholische Seite etwa, dass sich die Evangelische Kirche dem Papst unterstellt. Sie verloren die Runde (zum Glück!). In der nächsten Runde wünschte sich die evangelische Seite, dass in der Römisch-katholischen Kirche das Frauenpriestertum eingeführt wird – gewonnen! Durch den Sieg übermütig geworden, lautete der evangelische Wunsch für die nächste Runde, dass die römisch-katholischen Priesterinnen auch gut bezahlt werden mögen – diese Runde haben wir leider verloren! Deshalb konnte das Vorhaben bis heute auch noch nicht realisiert werden.

Einige Jahre später erzählte ich diese Geschichte beim württembergischen Gustav-Adolf-Fest. Ich wollte etwas von der hervorragenden ökumenischen Stimmung in unserem Land spürbar werden lassen. Doch die Gesichter der Zuhörerschaft wurden immer ernster. Und am Ende meines Vortrags meldete sich eine Dame zu Wort und meinte: „Aber Kartenspielen ist doch unter Christen verboten!“

aus: Hermann Miklas, Wie gut, dass es im leben was zu schmunzeln gibt, epv.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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