18. Sonntag im Jahreskreis | 1. August 2021
Meditation

Foto: Peter Hüller auf pixabay

Geschwister der Sterne

Sie werden überrascht sein zu erfahren, von wem ich die Gedanken habe, die ich Ihnen in dieser Morgenbetrachtung vortragen möchte. Sie stammen aus einer alten Inschrift aus dem Jahre 1864 in einer Kirche in Baltimore in den USA. (…) Ich möchte Ihnen einige Gedanken daraus übermitteln.
Der erste Rat lautet: „Sag deine Warhheit, ruhig und klar. Ebenso höre auf die Wahrheit der anderen, und zwar auch von Unbesonnenen und Törichten; denn auch sie haben ihre Geschichte.“

Was ist Ihnen aufgefallen? Ich finde zwei wesentliche Hinweise in diesem Text: Unsere Wahrheit gewinnt in dem Maße, in dem wir sie „ruhig und klar“ vortragen. Und – was noch wichtiger ist: Niemand ist Herr der Wahrheit, und die Wahrheit ist niemandes Monopol.

Oder hören Sie die Weisheit, die aus einem anderen Satz spricht: „Wer sich mit anderen vergleicht, wird entweder hoffärtig oder traurig, weil es immer jemanden gibt, der einem über- oder unterlegen ist …“
Trifft der Spruch nicht den Nagel auf den Kopf? Die Manie, sich mit anderen zu vergleichen, birgt die doppelte Gefahr der Eitelkeit und der Frustration in sich. Da es immer jemanden gibt, der uns unterlegen ist, überkommt uns leicht die Versuchung der Überheblichkeit. Und da sich stets jemand findet, der größer und besser ist als wir, beschleicht uns leicht die Anwandlung der Frustration.
Wirkliche Weisheit besteht darin, Vergleiche zu unterlassen, und – wie es in der Inschrift aus der Kirche in Baltimore heißt – die Wahrheit zu beherzigen, dass wir Brüder und Schwestern von Bäumen und Sternen und Kinder Gottes sind.

Und noch ein großartiger Rat aus der alten und bleibenden Inschrift: „Sei kein Skeptiker! Tugend wird es immer geben. Viele Menschen kämpfen für hohe Ideale. Und Heroismus findet sich allerorten im Leben.“ Wer daran zweifelt, braucht sich nur umzuschauen. Er wird sehen, wie viel namenlosen Heldenmut, der aber nie in der Zeit erscheint, es um ihn herum gibt. Und wenn es ihm mal dreckig geht, wird ihm die angenehme Überraschung nicht versagt bleiben zu entdecken, wie viele gute Menschen doch auch auf der Welt leben.

Dom Hélder Câmara in einer seiner 5-Minuten-Radiopredigten, die er über Radio Olinda in Recife hielt. Diese und weitere sind gedruckt erstmals 1977 erschienen („Um Olhar Sobre a Cidade“), in deutscher Sprache: „selig die träumen“, 1982 im Pendo-Verlag.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ