Kommentar
Auferstehung heißt: Vergangenes loslassen
Was sehe ich, wenn ich zu einem Grab gehe? Es sind meistens Bilder aus dem Leben des Menschen, dessen Leib dort begraben liegt. Erinnerungen an gemeinsame Erlebnisse werden lebendig. Der Blick ist rückwärtsgewandt und versucht Vergangenes festzuhalten.
Unterschiedliches sehen diejenigen, die am Ostermorgen zum Grab Jesu kommen. Maria Magdalena sieht den geöffneten Eingang. Die beiden Jünger sehen die Binden und Tücher. Viel wichtiger ist jedoch, was
sie nicht sehen, nämlich den toten Jesus. Wichtiger als dieser erste, oberflächliche Blick ist
der zweite, der in die Tiefe geht und zum Glauben führt.
So sieht Maria durch ihre Tränen hindurch in der dunklen Grabhöhle zwei Lichtgestalten, die ihr die Augen und das Herz öffnen. Und sie hört, wie die so vertraute Stimme ihren Namen ruft. Diese Erlebnisse bewirken, dass sie sich zweimal umwendet. Ihr Blick wendet sich zunächst vom Vergangenen zum Gegenwärtigen, wo sie Jesus lebendig wahrnimmt, und schließlich zum Ausblick in die Zukunft, zu dem, was ihr aufgetragen ist: den auferstandenen Herrn zu verkünden. Dazu ist es notwendig, dass sie den früheren Jesus, wie sie ihn kennen gelernt hat, seinen Körper, seine irdische Gestalt loslässt.
Eine Kirche, die von der Auferstehung geprägt ist, wird genau diese Blickumkehr vollziehen und sich nicht festklammern an Vergangenem oder Vergehendem, an einer leblosen Gestalt oder erstarrten Strukturen, sondern fähig sein, loszulassen, und nach vorne schauen auf den lebendigen Jesus, der ihr vorausgeht zum Vater.
Alfred Jokesch
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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