6. Sonntag im Jahreskreis | 14. Februar 2021
Kommentar

Diagnose und Therapie
Momentan fühlen wir uns alle ein bisschen wie Aussätzige. Wir müssen voneinander Abstand halten, begegnen einander mit großer Vorsicht, und immer spielt dabei die Angst vor einer Ansteckung mit dem heimtückischen Virus mit. Wir sehnen uns danach, dass dieser unheilvolle Ausnahmezustand endlich wieder vorbei ist. Wie muss sich erst jemand fühlen, der keine Aussicht auf Heilung hat, der von seinen Mitmenschen einfach abgeschrieben und sich selbst überlassen, also buchstäblich ausgesetzt wird?
Einem solchen Menschen läuft Jesus über den Weg. Der spricht die Ohnmacht aus, die jemand, der von einer Gemeinschaft ausgestoßen wurde, empfindet: Wenn du willst … Er ist abhängig vom guten Willen eines Menschen innerhalb jener Gruppe, die ihn abgesondert hat, damit er wieder integriert werden kann. Es muss ihm jemand einladend die Hand entgegenstrecken und seine
Isolation durchbrechen.
Das tut Jesus. Er berührt den Unberührbaren, schenkt ihm Nähe, Ansehen, Wertschätzung und Vertrauen. Das Heil dieses Menschen wiegt für ihn schwerer als das Risiko einer eigenen Ansteckung. Seine Berührung ist heilsam. Sie lässt ihn spüren: Ich habe an dir nichts auszusetzen. Ich helfe dir, damit du ins Reine kommen kannst.
Der Priester, zu dem Jesus den Geheilten schickt, ist so etwas wie die Gesundheitsbehörde. Er testet seinen Status, stellt eine Diagnose, aber er bietet keine Therapie an. Er hat den Schutz der „Gesunden“ im Blick, nicht das Schicksal des Ausgestoßenen. Wie begegnen wir anderen Menschen – beurteilend und abgrenzend oder heilsam und annehmend?

Alfred Jokesch

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

1 Kommentar

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ