2. Fastensonntag (Lesejahr A) - 8.3.2020 - Zum Nachdenken
Bitte, wir brauchen dich!
Tom hat uns verlassen! Warum? Tom war für mich, als ich diese Klasse zu unterrichten bekam, ein Anlass für inneren Bammel. Er hatte einen schlechten Ruf sowohl in der Klassengemeinschaft als auch massiv im Kollegium. Doch nach geraumer Zeit fanden wir beide ohne Aussprache einen Draht zueinander. Denn ich verstand sein Verhalten als einen Wink, um Zuwendung geschenkt zu bekommen. Er brachte mit seinem Wesen Lebendigkeit in unsere Gemeinschaft. Mit seinem Lachen, seinem Frohsinn hat er uns angesteckt! Das gehörte zu seiner einzigartigen Persönlichkeit!
Und nun: Schweigen und Mitfühlen. Hilfeschrei, Einladung, Gebet, Gedanken, Stille, Miteinander, Trauer und Klage, Begleitung.
„Tom ist tot! Er hat durch einen Sturz vom Balkon den Tod erlitten!“ Dieser Schrei kam am späten Abend durch mein Telefon. Ein Schrei des Unverständnisses. Warum und wieso?
Weder Familie noch Lehrer und Mitschüler konnten es verstehen. Es hieß: „Du bist unsere Religionslehrerin, bitte, wir brauchen dich!“ Ja, aber wie? Für mich war es bis dorthin die größte Herausforderung in meinem Berufsleben. Angebot zum Dasein und zum Gebet. Wo und wie?
Ein Klassenzimmer, umgestaltet mit einer besonders kontemplativen Mitte, soll unser Gedenkraum sein. Nein, bitte nicht! Der hilferufende, klagende, trauernde, fragende und suchende Menschenstrom nimmt kein Ende und füllt den Raum bis zum letzten Platz.
Bin ich dafür wirklich vorbereitet und kompetent? Wären diese Menschen alle gekommen, wenn wir dieses Gebet im Gotteshaus angeboten hätten? Dies ist jetzt aber nicht wichtig! Danke, dass sie alle, die Sehnsucht haben, diese Handreichung annehmen. Dieser Gedanke soll mir jetzt die Kraft geben.
Was heißt jetzt Kraft? Dürfen bei mir selbst als Leiterin dieser Gebetsstunde auch die Tränen fließen? Ja! Das wurde mir in dieser Stunde ganz bewusst. Ich bin mit meinem Dasein und meiner Vorbereitung mit Texten, Gebeten, Liedern und Musik nur eine unter vielen Fragenden und Betenden in dieser Stunde.
Wir sind als ReligionslehrerInnen auf gerufen, Menschen in den verschiedensten Lebenssituationen Gehör zu schenken und zu begleiten. Unser Beruf bleibt ein ewiges Geben und Nehmen, Hören und Dasein, Handreichung und Segen und Gott im Nächsten begegnen.
Andrea Neuböck, in: Sternstunden Religionsunterricht, Pustet
Autor:Heinz Finster aus Steiermark | SONNTAGSBLATT | |
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