Christentum - Ein Reiseführer | Etappe 061
Zeichen des Heils
Sakramente
Solche Zeichen stiften oft eine besondere Form von Verbundenheit. Häufig sind es ganz banale Dinge, die uns aus irgendeinem Grund wichtig geworden sind. Ein Brief, ein Zettel, ein Stein, den wir irgendwo mitgenommen haben. Niemand außer uns selber kann die Bedeutung ermessen. Der lateinamerikanische Theologe Leonardo Boff hat dies an einem berühmt gewordenen Beispiel verdeutlicht. Er erzählt von einem Schatz, den er sorgsam in einem Kästchen verwahrt. Es ist der Stummel der letzten Zigarette, die sein Vater geraucht hatte – wenige Augenblicke, bevor er an Herzinfarkt starb. Leonardo Boffs Schwester steckte den Stummel in den Brief mit der Nachricht vom Tod des Vaters. „Von diesem Augenblick an“, so schreibt Boff, „ist der Zigarettenstummel kein einfacher Zigarettenstummel mehr. Denn er wurde zu einem Sakrament, lebt, spricht von Leben und begleitet mein Leben.“
Gewiss ist ein solches Verständnis von Sakrament noch nicht identisch mit dem, das der Glaube der Christen in Schrift und Tradition entwickelt hat. Zum Wesen von Religion gehört es, sich Zeichen, Symbole und Metaphern zu bedienen, um „Bilder“ von Gott zu schaffen und Bindungen an höhere Mächte Ausdruck zu verleihen sowie „Gegenwart Gottes“ zu stiften. Sakramente dürfen wir verstehen als Zeichen der Nähe Gottes und seines Heils. Sie begleiten uns an Knotenpunkten unserer Existenz und erschließen in ihren Zeichenhandlungen den Sinn unseres Daseins. Wir werden daran erinnert, dass wir an der geschaffenen Welt Gottes teilhaben und dass seine Liebe zu uns Menschen stärker ist als Sünde und Tod.
Geschichtlich leitet sich der Begriff „Sakra-ment“ aus dem römischen Militärrecht ab und bezeichnet dort eine besondere, feierlich und religiös motivierte Eideserklärung. Die Vereidigung wurde eine Art Weihe und Bindung an göttliche Mächte, die den Soldaten meist zugleich in die Mysterienkulte der griechischen und römischen Kultur einführte. Sprachlich wurden das griechische „mysterion“ und das lateinische „sacramentum“ mit der Zeit bedeutungsgleich. Mysterien waren ursprünglich geheimnisvolle rituelle Kulthandlungen, die den „kultisch Reinen“ durch Worte, Bilder, Symbole, Riten unter Verpflichtung zum Stillschweigen zum Schauen des im Kult verehrten Gottes befähigten.
Auch wenn im Neuen Testament der Begriff „Sakrament“ nicht vorkommt, ist er der Sache nach vorhanden. Im Mittelpunkt stehen dabei Taufe und Eucharistie, aber auch für die anderen Sakramente lassen sich biblische Begründungen und Anknüpfungspunkte finden.
Die Ausgestaltung der christlichen Sakra-mentenlehre geschah in einem langen Prozess. Grundlegende Konturen erfuhr sie zu-nächst im Hinblick auf Taufe und Eucharistie durch Augustinus. Er rechnet sie sichtbaren Zeichen zu, die von sich aus eine andere, unsichtbare Wirklichkeit erkennen lassen. In der Verbindung des sinnlich wahrnehmbaren Elements (Brot, Wein, Wasser usw.) mit dem deutenden Wort kommt das Sakrament zustande. Christus, das Ursakrament überhaupt, bleibt dabei der Handelnde, sodass auch die Unheiligkeit der Amtsträger das Geschehen nicht beeinträchtigt. In den folgenden Jahrhunderten wird diese Vorstellung weiterentwickelt: Sakramente wirken „ex opere operato“, kraft des vollzogenen Ritus, und sind unabhängig von der Würdigkeit des Spenders objektiv wirksam, so der Empfänger nicht willentlich entgegenwirkt.
Gegenstand zahlreicher Diskussionen war die Frage nach der Zahl der Sakramente. In der orthodoxen und katholischen Theologie hat sich seit dem Mittelalter die Siebenerzahl durchgesetzt, in den anderen christlichen Gemeinschaften ist die Zahl uneinheitlich. Die katholische Kirche unterscheidet zwischen den Sakramenten der Initiation (Taufe, Firmung, Eucharistie), den Sakramenten der Heilung (Buße und Versöhnung, Krankensalbung) und den Sakramenten im Dienst der Gemeinschaft und der Sendung (Weihe, Ehe).
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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