Plädoyer für die Zukunft | Frage 5 | Interview
Wo brauchen wir Grenzen?
Zweckdienliche Grenzen
Harald Winkler, Kriminalbeamter und ehemaliger Spitzensportler, erzählt von beruflichen, sportlichen und privaten Grenzerfahrungen.
Harald Winkler trat 1983 bei der Gendarmerie ein. Nach Absolvierung der Gendarmerieschule war er 12 Jahre am Gendarmerieposten Gratkorn tätig. Dann wechselte er zur Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos, das 2005 zum Landeskriminalamt wurde, und ist dort bei der Mordgruppe. Er war Leichtathlet und Wintersportler und wurde 1992 Olympiasieger im Viererbob im französischen Albertville.
Wie steht es in Zeiten eines Virus, das keine Grenzen kennt, um Grenzen?
In Zeiten von Corona ist es sicherlich unverzichtbar, Grenzen einzuführen, um die Ausbreitung des Virus einigermaßen einzudämmen. Damit meine ich nicht nur Staatsgrenzen, sondern auch „Abgrenzungen“ vor einzelnen Gemeinden, Krankenhäusern, Pflegeheimen, Supermärkten etc., die doch einigermaßen kontrolliert überschritten werden sollten.
Was bedeuten Staatsgrenzen – früher und heute?
Nach dem scheinbar grenzenlosen Europa mit der Einführung des Schengen-Raumes bis zur Flüchtlingskrise im Jahr 2015 und den derzeitigen Covid-Maßnahmen hat sich grundsätzlich sehr viel geändert. Wenn man sich nur einige Jahrzehnte an den „Eisernen Vorhang“ zurückerinnert, so ist es in der heutigen Zeit sehr angenehm, die Staatsgrenzen in Europa ohne groß angelegte Kontrollen passieren zu können.
Sie sind Kriminalbeamter bei der Mordgruppe und haben dort mit Menschen zu tun, die Grenzen überschritten haben, und auch mit Menschen, die Grenzerfahrungen erlitten haben. Wo bringt Ihr Beruf Sie persönlich an Grenzen?
Mein Beruf bringt mich in erster Linie dann an meine persönlichen Grenzen, wenn ich erkennen muss, dass oft junge Menschen, die ihr ganzes Leben eigentlich noch vor sich haben, sinnlos – sei es durch fremde Gewalteinwirkung, aber auch durch Eigenverschulden – ihr Leben lassen müssen. Es gibt sehr viel Gründe, warum die Menschen Grenzen überschreiten, sei es aus emotionalen Gründen, wie Eifersucht, Streit, aber auch aus Habgier.
Sie sind auch Sportler – Leichtathlet und später Olympiasieger im Bobfahren (Albertville 1992). Gab es im Sport für Sie Erfahrungen von persönlichen und körperlichen Grenzen?
Als Sportler bewegst du dich nicht nur während der Wettkämpfe, sondern auch im täglichen Training im physischen und psychischen Grenzbereich. Wäre es nicht so, hättest du keine Chance auf ein erfolgreiches Abschneiden bei den Wettkämpfen. Spitzensport ist per se ein Grenzbereich.
Was macht für Sie eine Grenzerfahrung – beruflicher oder privater Natur – aus?
Grenzerfahrung bedeutet für mich schlichtweg „LERNEN“, denn jede Bewegung im Grenzbereich ist nichts anderes als das Sammeln von Erfahrungen, die letztendlich für die Weiterentwicklung im Leben notwendig sind.
Wo brauchen wir Ihrer Meinung nach Grenzen?
In unserem gesamten Leben brauchen wir ganz sicher Grenzen, die aber für jeden Menschen nicht immer gleich aussehen müssen. Grenzen werden unter anderem durch Gesetze beschrieben, die wir zu befolgen haben, aber auch im gesellschaftlichen und sozialen Bereich ganz einfache Regeln, die mehr oder weniger vorgegeben sind, um sich selbst und die Mitmenschen zu schützen, die aber auch zweckdienlich für ein friedvolles Zusammenleben sind.
Acht Fragen
Jubiläen zu begehen hat nur Sinn, wenn zugleich „nach vorne“ gedacht wird. So hat auch unsere Diözese anlässlich des 800-Jahr-Jubiläums 2018 in einem breiten Diskurs acht Fragen unter das Motto „Glauben wir an unsere Zukunft?“ gestellt.
>Wollen wir noch selber denken?
>Ist Armut unfair?
>Was würdest Du morgen zurücklassen?
>Rettet Schönheit die Welt?
>Wo brauchen wir Grenzen?
>Wer hat die richtige Religion?
>Muss ich heute Angst haben?
>Wie viel Macht hat eine schwache Kirche?
Die Serie wird begleitet durch die Online-Kolumne „Mitten im Leben“, in der Menschen aus ihrem Alltag im Zusammenspiel mit der jeweiligen Frage berichten. – www.katholische-kirche-steiermark.at/mittenimleben
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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