Tatorte der Fastenzeit. Fastenserie 2018 | Teil 05
Wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht

Foto: Gerd Neuhold, Sonntagsblatt

Wie oft habe ich in den letzten Jahren auf dieser Bank gesessen unter der schönen Rotbuche. Ich habe sie im Frühlingsschmuck ihrer zarten, durchscheinenden Blätter erlebt, habe im Schatten ihrer stolzen Blattkrone geträumt und ihre Früchte, die Bucheckern, geknabbert. Ich habe erlebt, wie sie krank wurde und der Gärtner ihren Stamm behandeln musste. Ich habe mit ihm gezittert, ob aus den Winterzweigen wieder Leben sprießen würde, und freute mich, als sie durch die Hilfe des Gärtners wieder genas.

Die Rotbuche steht auf dem Friedhof. Sie hat mich damals weinen gesehen, als ich es nicht fassen konnte, dass ein Grab das Einzige war, was mir blieb. Sie hat mich gelehrt, dass Blühen und Vergehen zu ihrem und meinem Leben gehören. Sie hat mein Lächeln gesehen, als ein kleiner Bub auf mich zustolperte und an meinen Knien Halt fand. Sie hat miterlebt, wie ich wieder leben und glauben lernte.

Jetzt soll die Rotbuche gefällt werden. Sie sei doch nicht richtig gesund geworden, und die Gefahr, dass sie umstürzt und Menschen zu Schaden kommen, sei zu groß, sagt der Gärtner. Wieder muss ich Abschied nehmen. Ich habe ein paar Zweige von meiner Rotbuche mit nach Hause genommen und in einen Krug gestellt. Verlängerte Erinnerung.

Ein paar Bucheckern habe ich in die Graberde gegeben. Wenn du es richtig findest, Gott, erwächst aus ihnen eines Tages eine neue Buche. Neues Leben – ich glaube daran.

H. Kremer, Blickpunkt Leben, Butzon&Bercker

Am fünften Fastensonntag spricht Jesus im Evangelium vom Weizenkorn, das in die Erde fallen muss, um Frucht bringen zu können. Dieses Bildwort Jesu wird auch in manchen Liedern besungen. „Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt, Keim, der aus dem Acker in den Morgen dringt“, textete der Berliner evangelische Theologe Jürgen Henkys (du mit uns, Nr. 70). Alle drei Strophen lässt er in den Gedanken münden: „Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.“[/p]

Zu Beginn „hören wir vom Weizenkorn in herben Worten, die zu denken geben und zu glauben“, schreibt Meinrad Walter in einer Liederklärung (Sing, bet und geh auf Gottes Wegen, Verlag Herder). „Es geht abwärts, das Korn versinkt in den Tod. Und es geht aufwärts, weil das Korn ‚in den Morgen‘ dringt.“

[p]Auf die Beobachtung der Natur folgt eine Betrachtung der Passion: „Über Gottes Liebe brach die Welt den Stab, wälzte ihren Felsen vor der Liebe Grab.“ Nach den Maßstäben der Welt „ist Gott mit seiner in Jesus verkörperten Liebe gescheitert. Was aber ist stärker, das winzige Samenkorn oder der gewaltige Felsen? Nun wird der Refrain ‚Liebe wächst wie Weizen‘ zum Kontrast, ja zum Protest. So lebensnah hat Jesus in seinen Gleichnissen verkündet: Der Same keimt und wächst von selbst, auch wenn der Sämann schläft (Mk 4,27). Worauf kommt es also an? Der Sämann muss die Zeit des verborgenen Wachstums aushalten und wir die Grabesstille des Karsamstags.“

Herbert Meßner

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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