Sozialwort des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich | Teil 6
Vom sozialen Lernen und dem Zugang zur Arbeitswelt
Möglichst auf einer Ebene mit den Schülerinnen und Schülern sein – diesen pädagogischen Ansatz möchte der Hauptschullehrer Johann Pichler auch bei den Reportagefotos umgesetzt sehen. Also darf den Sonntagsblatt-Lesern ruhig zugemutet werden, etwas länger das Bild unten zu betrachten, um zu sehen, wo nun die Lehrautorität in der 3-A-Klasse der Hauptschule Kapfenberg-Stadt vorhanden ist…
Johann Pichler ist mit Begeisterung Pädagoge. Auch wenn über 30 Jahre Lehrertätigkeit „schon auch etwas an der Substanz gezehrt haben“, wie der Vater von vier Kindern unumwunden zugibt. Aber im Gespräch mit ihm über das Sozialwort der christlichen Kirchen kommt immer wieder sein Interesse an der Jugend, sein Blick auf die Sorgen und Nöte der Heranwachsenden durch.
Wahrscheinlich ist es auch der Schulalltag, wenn der Klassenvorstand einer Integrationsklasse gleich eingangs die Bedeutung des sozialen Lernens hervorhebt und die diesbezüglichen Sozialwort-Passagen unterstreicht.
„Bildungspolitische Maßnahmen müssen sich an einem umfassenden Bildungsbegriff orientieren und nicht nur an der ökonomischen Verwertbarkeit. Soziales Lernen muss als gleichberechtigtes Ziel anerkannt werden“, formulieren beispielsweise die Sozialwort-Verfasser eine der Aufgaben der Gesellschaft. Ganz im Sinne von Johann Pichler, dem auffällt, dass zunehmend Kinder Probleme im sozialen Bereich, im Umgang miteinander haben.
Ja, natürlich wurde der Druck heute durch PISA-Studien erhöht, weiß der Hauptschulpädagoge um die Vorwürfe der Wirtschaft, dass manche Schulabgänger zu wenig Voraussetzungen für einen erfolgreichen Lehrabschluss mitbringen. Aber: „Wenn es im so-zial-emotionalen Bereich nicht stimmt, wird man sich auch bei der Wissensvermittlung schwer tun“, ist Johann Pichler überzeugt.
Doch nicht nur Schülerinnen und Schüler stehen unter Druck, auch Eltern spüren heute Erwartungen von vielen Seiten, denen sie aus verschiedensten Gründen nicht immer gerecht werden können. Oft führt gerade unsere heutige Wohlstandskultur zu Verhaltensweisen, die nicht immer eine gute Zukunft erwarten lassen…
So klingt auch bei der Bewertung des Sozialwortes der christlichen Kirchen Österreichs eine gewisse Skepsis durch: „Zum Teil sehr viele Worte, viele Forderungen, manches an der Oberfläche – viele Dinge sind einfach nicht umsetzbar“, findet Johann Pichler. Wenn beispielsweise im Artikel 175 das „Recht auf Arbeit“ eingemahnt wird, hat er so seine Zweifel: „In der Tat hat doch die Wirtschaft das Sagen, der Einfluss des Staates ist relativ gering.“
Der erfahrene Pädagoge ist nicht sehr optimistisch, wie weit da Christen etwas ändern können. Und wenn heute oft verstärkte Bildungsanstrengungen der jungen Generation als Erfolgsweg in eine bessere Zukunft empfohlen werden, widerspricht zwar der Lehrer nicht generell: „Leider gibt es aber den Taxi lenkenden Juristen, oder ich weiß von einem Geografie-Absolventen, der jetzt im Stahlwerk arbeitet…“
[p]
Mag sein, dass die Jugend ihre Ausbildung besser den Erwartungen der Wirtschaft wird anpassen müssen, aber was ist mit jenen, die bei Job-Bewerbungen zu hören bekommen, sie seien „überqualifiziert“?
Hannes Labner
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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