Pater Johannes Pausch: BONUS-TEIL
Vertrauen finden – Balance halten
Die eigene Mitte wiederfinden, Vertrauen fassen und in Balance nennt Pater Johannes Pausch spirituelle Ziele der Fastenzeit. Ein gutes Hilfsmittel dabei sind Heilkräuter. Diesmal die Johannisbeerknospe.
Viele Menschen lehnen das Fasten ab, außer es ist eine Schlankheitskur, weil sie sich nicht von religiösen Imperativen vereinnahmen lassen wollen. Sie sind enttäuscht und geschädigt von Erfahrungen mit Religion, Kirche und ähnlichen Institutionen, weil sie sich getäuscht und verletzt fühlen und die Glaubwürdigkeit all derer, die Religion vertreten und dauernd irgendwelche frommen und scheinheiligen Worte im Munde führen, berechtigt anzweifeln. Dass dabei Glaube und Vertrauen auf der Strecke bleiben oder zerstört werden, ist für mich eine sehr bedrückende Erfahrung.
Vor einigen Jahren durfte ich in einem österreichischen Stift die Jahresexerzitien halten. Ich war jung, ein wenig eingebildet und habe mir wirklich viel Mühe gegeben „gescheite“ Vorträge zu halten. Es war ein durchschnittlich katholisches Publikum. Ein Drittel der Zuhörer hat geschlafen. Ein weiteres Drittel war zwar körperlich anwesend, aber eigentlich gar nicht da. Und das letzte Drittel hat sich bemüht, halbwegs aufzupassen. Unter allen aber ist mir ein alter Mitbruder aufgefallen, der alle Vorträge mit größter Aufmerksamkeit verfolgt hat. Als er zu einem Gespräch kam, fragte ich ihn, warum er so achtsam, so wach war. Er erwiderte mir: „Du hast das gut gemacht. Du hast uns den heiligen Thomas und den heiligen Bonaventura auseinandergelegt und wieder zusammengebaut. Ich habe sehr genau zugehört! Aber was nützt das alles für meine geschwollenen Füße?“ Seit dieser Zeit frage ich mich immer auch bei meinen den Fastenimpulsen, ob das, was ich sage und schreibe „etwas für die geschwollenen Füße“ ist.
Fasten heißt auch die Schöpfung bewahren
Bei meinen Fastenimpulsen mit Heilkräutern versuche ich einen praktischen Weg zu gehen und Hilfe zu geben aus den überreichen Gaben der Schöpfung, die für mich das Leben und das Geheimnis Gottes vermitteln. Ich lerne aus den Worten Jesu: „Betrachtet die Lilien des Feldes. Sie säen nicht, sie ernten nicht. Und doch sorgt ein Vater im Himmel für sie alle.“ Und ich erlebe es immer wieder, dass Gott mit seiner Schöpfung für uns alle sorgt. Umso mehr müssen wir uns darum bemühen diese Schöpfung zu bewahren.
Unser Leben und diese Schöpfung sind bedroht und werden zerstört durch Unachtsamkeit, Oberflächlichkeit und Unbewusstheit, durch Ignoranz, Interesselosigkeit, durch Ablehnung, durch Hass und Wut, die wir auch in uns kennen und die für mich oft die Ursachen von Erkrankungen des Leibes und der Seele sind. Viele Menschen haben die Erfahrung gemacht, dass Fasten, also Reduktion in welcher Form auch immer, bei all diesen Ursachen helfen kann. Es kann uns helfen, unsere Mitte, unseren Wesenskern, unser Vertrauen und unseren Glauben wiederzufinden.
Ich weiß aber auch, dass der Weg dorthin für viele Menschen schwierig ist. Manche sagen sogar: Ich habe meinen Glauben verloren, ich habe kein Vertrauen mehr, ich habe keine Mitte mehr. Worte allein können in solchen Situationen nur selten helfen. Es müssen dazu auch andere, lebendige Erfahrungen und praktische Hilfen kommen. Für mich sind Heilpflanzen solche lebendigen Erfahrungen und praktische Hilfen. Sie sind für mich Ausdruck der lebendigen Gegenwart Gottes in dieser Welt, seine Abbilder und unsere Geschwister.
Gichtbaum – schwarze Johannisbeere
Deshalb ist es sinnvoll, sich in der Fastenzeit vor allem den Heilpflanzen zuzuwenden, die uns helfen, leibseelische Balance zu halten und neu Vertrauen zu finden. Als erste Pflanze ist dabei die schwarze Johannesbeere mit ihren wunderbaren Kräften und Wirkungen zu nennen, die schon die erste und zuverlässigste Kronzeugin der Klosterheilkunde, die Heilige Hildegard von Bingen, beschreibt. Der Johannisbeerstrauch gehört zu den ältesten Heilpflanzen der Traditionellen Europäischen Medizin und wurde bereits im Mittelalter in Klostergärten kultiviert.
Hildegard von Bingen lobte vor allem seine Fähigkeit, die Wirkung anderer Heilpflanzen und Heilungsansätze zu verstärken. Zahlreiche Schriften aus dem 18. Jahrhundert berichten auch von der bemerkenswerten Eigenschaft der Johannisbeere als Gegenmittel bei Vergiftungen des Leibes und der Seele. Der bis zu zwei Meter hohe Strauch kommt in Europa und Asien vor und ist wegen seiner wohlschmeckenden, Vitamin-C-haltigen Früchte sehr beliebt.
Pflanzliches Cortison ganz ohne Nebenwirkungen
Die schwarze Johannisbeere regt die Nebennierenrinde zur Produktion von Hormonen an, die eine schnelle entzündungshemmende Wirkung haben. Davon profitieren besonders die Schleimhäute im Mund- und Rachenraum, bei Halsweh und Heiserkeit, sowie unsere Gelenke. Aufgrund dieser Eigenschaften wird die schwarze Johannisbeere auch oft als „pflanzliches Cortison“ bezeichnet – das erfreulicherweise ganz ohne Nebenwirkungen auskommt. Das machten sich die Menschen bereits zur Zeit Hildegard von Bingens zunutze, die den Strauch auch „Gichtbaum“ nannte.
Die Johannisbeere schützt unsere Zellen vor oxidativem Stress – dafür sorgen jene Stoffe, die ihr auch die schwarze Farbe geben: die Anthocyane. Diese fördern die Zellatmung und Zellreinigung und verjüngen gleichzeitig die Blutgefäße. So werden alle blockierten Energieflüsse im Körper wieder angeregt. Das aktiviert den kompletten Stoffwechsel und hilft dabei, Schad- und Giftstoffe im Körper abzubauen bzw. diese auszuscheiden. Das gilt nicht nur für physische und psychische, sondern auch für geistige und geistliche Vergiftungen.
Das Immunsystem unseres Körpers ist mit einer Waage vergleichbar, die viele Waagschalen hat. Diese sind miteinander verbunden und ständig in Bewegung. Die Wirkstoffe der schwarzen Johannisbeere greifen ein, wenn es in diesem komplizierten System zu einer Fehlsteuerung kommt. Sie hilft dem Immunsystem dabei, sozusagen die falsch platzierten Gewichte wieder aus den Waagschalen zu nehmen. Diese Regulierungsfähigkeit verschafft uns Linderung bei verschiedenen körperlichen und seelischen Erkrankungen Das sollten wir besonders in Zeiten, in denen unser Immunsystem gefährdet ist, bedenken.
Seit einiger Zeit wird das Gemmo-Mazerat aus der frischen Pflanzenknospe als sehr hilfreich beschrieben. Es enthält die volle Kraft der jungen Pflanzenknospen. Die für mich wichtigste Wirkung der Johannisbeer-Knospen ist vor allem ihre Fähigkeit, sowohl unser körperliches, als auch unser seelisches Gleichgewicht wiederzufinden. Wer übertriebenes Schwarz-Weiß-Denken oder ein gesteigertes Harmoniebedürfnis hat, kann solche Herausforderungen mithilfe der Johannisbeere ausgleichen und innere Mitte und Vertrauen wiederfinden. Und das wäre ein wirklich spirituelles Ziel der Fastenzeit.
Tipp
Das schwarze Johannisbeer-Knospen-Mazerat selbstmachen
Ich kenne kaum eine Pflanze, bei der bereits die Knospen wie die Frucht duften und auch schmecken. Dieser „Cassis“-Duft der Schwarzen Johannisbeere macht sie unverkennbar und auch durch ihre rosige Färbung ist sie gleich leicht zu erkennen.
Zutaten
• ca. 4 gr schwarze Johannisbeerknospen
• 20 ml Glycerin
• 20 ml 70% Alkohol
• 20 ml Wasser
Knospen in kleinsten Mengen sammeln, um den Strauch nicht zu schwächen oder zu zerstören. Oft reicht schon eine Knospe, die frisch verzehrt wird, denn die Kraft, die in ihr steckt, ist immens. Für ein Mazerat reichen 5 – 6 Knospen. Gesammelte Knospen so rasch wie möglich verarbeiten.
Zubereitung und Anwendung
Knospen fein zerkleinern und mit Glycerin und Alkohol gut vermischen, in ein Schraubglas geben und an einem kühlen, dunklen Ort drei Wochen ziehen lassen. Immer wieder schütteln. Danach abfiltern und in ein Sprühfläschchen füllen. Für Erwachsene ist eine Anwendung zwei- bis dreimal täglich möglich. Dabei drei Sprühstöße in den Mund geben oder den Extrakt in ein Glas Wasser und dann schluckweise trinken.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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