Christentum - Ein Reiseführer | Etappe 028
Ursprung des Bösen
Woher kommt das Böse?
Bei der schlechten Leistung, der falschen Wahl und der unglücklichen Entscheidung geschieht das Schlechte, das Falsche, das Unpassende, aber es geschieht ungewollt. Beabsichtigt war jeweils das ganz andere, das Gute oder auch nur das Belanglose. Solche Entwicklungen mögen schmerzen, aber sie machen nicht ratlos und lassen nicht verzweifeln.
Ganz anders das Böse. Dass Menschen nicht nur versehentlich, aus Unkenntnis oder wegen mangelnder Fähigkeiten das Schlechte tun, sondern es bewusst und in voller Absicht anstreben, ist eine Erfahrung, die zutiefst erschüttert. Deshalb wird die Frage nach dem Bösen zu einer für den Menschen bohrenden Frage.
Es ist sicher nicht leicht, herauszufinden, ob im konkreten Fall nur das unbedachte Unheil hereingebrochen oder das Unglück des anderen bewusst hingenommen, wenn nicht gar angezielt wurde. Die Unterscheidung zwischen dem nahezu unvermeidlichen Schlechten und dem absichtlich gewählten Bösen bleibt ein schwieriges Geschäft. Wir betreiben es dennoch, denn wir wissen, dass zwischen dem nicht beabsichtigten Schlechten und dem bewusst angestrebten Bösen ein fundamentaler Unterschied besteht.
Zwei klassische Erklärungen
Die Religionen der Menschheit geben auf die Frage nach der Herkunft des Bösen unterschiedliche Antworten. Dabei kehren zwei Antworttypen relativ häufig wieder: die dualistische und die monistische Erklärung.
Die dualistische Erklärung (von griech. duo, „zwei“) geht davon aus, dass die Welt unter dem Einfluss von zwei Grundkräften steht, einer guten und einer bösen: Die böse Grundkraft wirft danach immer wieder neu Böses in die Welt. Die gute Kraft hingegen versucht, dieses Böse so weit wie möglich zu verhindern und im Gegenzug dazu das Gute zu befördern. Da die beiden Grundkräfte etwa gleich stark gedacht werden, ist der Lauf der Welt von einem steten Ringen zwischen Gut und Böse gekennzeichnet. Dabei scheint einmal das Gute, ein andermal das Böse zu obsiegen. Dualistische Erklärungen sind typisch für die Gnosis, eine religiöse Strömung, die sich im Mittelmeerraum etwa zeitgleich mit dem Christentum ausbreitete und über Jahrhunderte hin offen mit ihm konkurrierte. Gnostische Elemente sind sehr langlebig. Sie finden sich heute vor allem in den Weltbildern verschiedener Sekten. Das dualistische Erbe tritt in den Schwarz-Weiß-Kontrasten, mit denen diese Weltbilder arbeiten, offen zu Tage.
Die monistische Erklärung (von griech. monos – „eins, einzeln, allein“) geht, wie ihr Name dies bereits anzeigt, von der Existenz nur einer Grundkraft aus. Diese wird im umfassenden Sinne als allmächtig vorgestellt. Alles, was geschieht, geht auf den Willen dieser Grundkraft zurück, das Gute wie das Böse. Da diese Grundkraft damit offensichtlich sehr Unterschiedliches bewirken kann, ist sie als Gegenüber nicht zu ergründen. Das eine Mal fördert sie Leben, ein andermal vernichtet sie es. Eine monistische Vorstellung begegnet uns etwa in der römischen Gottheit Janus, die als Person mit zwei Gesichtern dargestellt wird, einem freundlichen und einem bedrohlichen. Die Vorstellung eines göttlichen Wesens, das sowohl aufbaut wie auch zerstört, findet sich ebenso bei den indischen Gottheiten Shiva und Kali.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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