Christentum - Ein Reiseführer | Etappe 065
Umkehr – Neuanfang
Buße und Versöhnung
Die Texte des Alten Testaments erzählen an vielen Stellen von kultischer Buße zu bestimmten Zeiten und mit bestimmten Praktiken, etwa Fasten, Sack und Asche tragen, Klagen usw. Auch im Falle konkreter Bedrohung durch Seuchen und Kriegsgefahr werden Bußriten eingesetzt. Deutliche Kritik an der Veräußerlichung vieler Bußpraktiken üben die Propheten, die zu radikaler Umkehr des Herzens in Wort und Tat aufrufen.
Im Neuen Testament ruft Johannes der Täufer in Erwartung eines drohenden Gerichts zur Umkehr auf, zu der eine Bußtaufe und ein öffentliches Sündenbekenntnis gehören. Der von ihm in den Evangelien überlieferte Begriff für Buße heißt „metanoia“. Er meint – ähnlich wie die Propheten – ein ständiges Umdenken, Neubesinnung, Neuanfang und eine dauerhafte Bereitschaft zur Infragestellung des eigenen Ichs. „Buße“ in diesem Sinn ist also nicht nur eine Übung, die ich absolviere, um nach meinen Möglichkeiten wieder etwas gutzumachen, sie ist auch eine Grundhaltung, die man sich zulegt.
In der frühen Kirche kommt es unter anderem durch den sprachlichen Gleichklang der Worte „paenitentia“ (Buße) und „poenitentia“ (Strafe) zu einer Akzentverschiebung in Richtung individueller Sühne und Bestrafung. Auch setzt sich die Vorstellung durch, dass die Satisfaktion des Sünders in Bekenntnis, Buße und Werken der Umkehr der Gerechtigkeit Gottes geschuldet ist. Das kirchliche Recht hat später die in dieser Zeit entwickelten Bußordnungen und Bußzeiten (Fastenzeit, Freitage) und Abstinenztage (Karfreitag, Aschermittwoch) festgeschrieben. In der Zeit zwischen dem 2. und 4. Jahrhundert entwickelten sich auch eigene Bußriten und Bußverfahren, die man die „kanonische Buße“ nannte: So waren die Büßer ein eigener Stand in der christlichen Gemeinde. Je nach Schwere des Vergehens wurden sie nach Ablauf einer bestimmten Zeit (mehrere Wochen bis auf Lebenszeit) und nach Verrichtung entsprechender Bußauflagen (Fasten, Gebet, Almosen, Akte der Wiedergutmachung) in einem feierlichen Akt und mit verschiedenen Zeichen und Symbolen (Handauflegung, Salbung) wieder in die Gemeinschaft aufgenommen und damit eine Rekonziliation (= Versöhnung) ausgesprochen. So waren sie auch wieder als vollwertige Mitglieder zum Gottesdienst zugelassen.
Ab dem 4. Jahrhundert beginnt sich auch der Gedanke der Unvergebbarkeit von Sünden durchzusetzen sowie die Differenzierung in alltägliche und schwere Sünden. Während erstere durch Gebet und Bußleistungen vergeben werden können, hinterlassen die schweren Sünden einen nur durch feierliche Rekonziliation zu behebenden schweren Mangel, der im Fall des Todes zum Verlust der ewigen Seligkeit führen würde. Vom 6. Jahrhundert an häufen sich die Berichte, dass Büßer auch nach erfolgter Rekonziliation die ihnen auferlegten Dauerverpflichtungen (z. B. Bußgewand, Haartracht, Verzicht auf ehelichen Verkehr) nicht mehr einhalten. In dieser Zeit beginnt die Praxis der Einzelbeichte, die sich im 7. Jahrhundert infolge der iroschottischen Mission auf dem ganzen Kontinent durchgesetzt hat und die ab dem 9. Jahrhundert den Charakter eines Sakraments annimmt: Das Sündenbekenntnis wird privat bei einem Priester abgelegt, der eine angemessene Buße auferlegt, nach deren oder vor deren Verrichtung die Versöhnung stattfindet.
Diese „therapeutische“ Form der Buße wurde rasch gutgeheißen und angenommen, wobei es keine Belege gibt, dass dieses Sakrament Kindern oder Jugendlichen gespendet wurde. Das ändert sich mit dem IV. Laterankonzil 1215, das zu einem Zeitpunkt einberufen wurde, wo der Sakramentenempfang einen Tiefstand hatte. Das Konzil will alle, die im sogenannten „Alter der Unterscheidung“ (um das siebte Lebensjahr) sind, verpflichten, wenigstens einmal jährlich das Sakrament der Buße zu empfangen. Diese Praxis gilt in der katholischen Kirche bis heute. Darüber hinaus ist jeder katholische Christ angehalten, nach einer Todsünde die Beichte abzulegen.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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