Rituale | Teil 1
Übergänge gestalten
Rituale an existentiellen Wendepunkten des Lebens.
Zu den frühesten und elementaren Kennzeichen menschlicher Kultur gehören Rituale an Wendepunkten des Lebens. Dass in allen Kulturen zumindest seit der älteren Steinzeit die Realität des Sterbens und die damit verbundenen Erfahrungen der Trennung und der Trauer mit rituellen Bestattungsformen und Zeremonien einhergehen, ist dafür beispielgebend.
Die lebensgeschichtlichen und die zyklisch wiederkehrenden Durch- und Übergänge in den Rhythmen von Wachsen, Reifen und Vergehen, von Tätigsein und Ruhen, von Wachen und Schlafen gehören zu den Kristallisationspunkten ritueller Handlungsformen. Es ist kein Wunder, dass diese eng mit religiösen Vorstellungen und Praktiken verknüpft sind und dass sich in ihnen nicht selten die Mythen und Jenseitsvorstellungen konkreter Religionen manifestieren. Sind es doch genau die existentiellen Durch- und Übergänge, an denen sowohl die Schönheit und Ordnung als auch die Abgründigkeit und die Gefährdung des gesamten Lebenszusammenhanges spürbar werden. Wie in bestimmten religiösen und kulturellen Konstellationen diese Rhythmen und Übergänge jeweils ihre rituellen Ausgestaltungen finden, wie diese überliefert und auch wieder transformiert werden, gehört zu den spannenden Fragen und Forschungsgebieten der Religions- und Kulturwissenschaften sowie der Theologie.
Im Rahmen der Tagung „Rituale. Soziales Band und Fenster zum Sinn“ werden unter anderem die täglichen Übergänge vom Wachsein zum Schlafen und von der Nachtruhe zur Aktivität des neuen Morgens als Momente ritueller Praxis näher beleuchtet. Dabei richtet sich der Blick auf jüdische und christliche Gebetsrituale, die den nächtlichen Schlaf als kleinen Bruder des Todes deuten und das Aufwachen am Morgen mit der Leben schaffenden Kraft und Gnade Gottes verknüpfen. Im Kontext einer Gesellschaft, in der gerade diese täglichen Rhythmen höchst individualisiert erscheinen, und in der es mehr denn je Probleme und Krankheitsbilder rund um das Einschlafen und die Nachtruhe gibt, stellen sich Fragen nach der Funktion und nach dem Verlust solcher Rituale – und vielleicht auch nach Möglichkeiten ihrer Wiederbelebung in neuen Gestaltungen.
Jedenfalls darf erwartet werden, dass sich aus der Beschäftigung mit rituellen Handlungsformen nicht nur ein Wissensschatz über Kulturen und Religionen auftut, sondern auch Schlussfolgerungen für die eigene Lebenspraxis möglich sein werden.
Peter Ebenbauer
SYMPOSIUM | TEIL 1Gestaltete Zeit
Rituale werden oft als Ankerpunkte im Strom der Zeit verstanden. Sie können Stabilität und Zusammenhalt, etwa in familiären, religiösen und sozialen Situationen, bieten und haben bei wichtigen Lebensübergängen eine zentrale Funktion für viele Menschen.
So gesehen strukturieren Rituale menschliche und gesellschaftliche „Biographien“,
sie markieren Ereignisse und können Menschen dabei unterstützen, den Herausforderungen des Lebens zu begegnen.
Im Rahmen dieser Tagung soll dem Phänomen „Ritual“ aus unterschiedlichen Per-spektiven nachgegangen werden. Neben den positiven, affirmativen Aspekten sollen auch kritische Bereiche des Rituals und der Ritualisierung angesprochen werden.
Weitere Infos und Anmeldungen:
◉ franziskaner.uni-graz.at/de
Symposium
Rituale
Soziales Band und Fenster zum Sinn
Montag, 28. Oktober 2024, 18 Uhr
Aula der Universität Graz
Dienstag, 29. Oktober 2024,
ab 9 Uhr
Franziskanerplatz 14, Graz
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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