Religion am Ball. Fußballleuropameisterschaft 2016 | Teil 02
Spiel der elf Apostel

Über alle sozialen Grenzen hinweg: Im Fußballstadion zählt die Gemeinsamkeit beim Anfeuern der eigenen Mannschaft. | Foto:  iStock, Fotolia
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Die Straßen sind leer bei Anpfiff. Die Public-Viewing-Plätze brechend voll. Die Getränkeregale in den Supermärkten haben Hochkonjunktur. Der wahre Fan gerät in nervöse Entzückung. Auf dem Weg zum Public Viewing, auf dem Weg in ein Stadion. Spätestens dort spielen weder Kontostand, Familienzwistigkeiten, Urlaubspläne noch Autoreparaturen eine Rolle. Das Leben blendet sich aus, es zählt der Moment, nur die „eigenen“ elf Spieler haben Bedeutung.

Zahlen spielen eine große Rolle beim Fußball. Wenn ein Spieler ein Foul im Strafraum begeht oder seine Hand zu Hilfe nimmt, wird ein Elfmeter gegeben. Wobei hier in der Zahlendeutung ein kleiner „Fehler“ steckt: Die elf Meter nämlich errechnen sich aus den 12 Yards, die in England festgelegt wurden. Damit also wären wir bei den 12 Aposteln. Die Fußballelf wird schließlich auch erst mit dem Ball, dem 12. „Objekt“, zur Einheit.

Ähnlich bedeutsam ist die Rückennummer. Sie wurde 1911 in Australien „erfunden“ und sollte den Schiedsrichtern dabei behilflich sein, bereits verwarnte Spieler zu orten. Seit damals dürfen Trikots beim Spieleraustausch nicht mehr weitergereicht werden. Die Nummerierung von 1 – für den Torwart – bis 11 wird heute allerdings nicht mehr eingehalten. Der Grund liegt darin, dass viele Spieler ihrer Nummer „magische Bedeutung“ zuschreiben.

Gerd Müller, einst „Bomber der Nation“, trug die 13, an deren Glück er glaubte. Später wurde diese Zahl von Michael Ballack übernommen. Als dieser im Sommer 2006 vom FC Bayern München zum FC Chelsea wechselte, hatte dies folgenschwere Wirkung: Da Ballack von der Vereinsführung forderte, die 13 tragen zu dürfen, musste der bei Chelsea spielende William Gallas auf die Nummer verzichten, was dazu führte, dass er den Fußballclub verließ.

Die italienische Abwehrlegende des AC Mailand, Paolo Maldini, trug stets die Nummer 3. Bereits vor Ende seiner Karriere wurde beschlossen, diese Zahl nicht mehr zu vergeben, um „ewig“ an ihn zu erinnern. Eine der berühmtesten Nummern weltweit ist die 10, getragen von der „Hand Gottes“, Diego Maradona. Die FIFA untersagte zwar, dass die Nummer nicht mehr vergeben werden darf, doch unter Maradona-Fans wurde die Zahl 10 bereits längst ins sprichwörtlich Göttliche erhoben. Sie nennen Maradona „Dios“, Gott, geschrieben: D10S.

So weit zu Zahlenspielen auf dem Rasen. Der 12. Spieler, den finden wir derzeit an den Public Viewing Orten unseres Landes. Fans werden – über alle Grenzen hinweg – zur Communauté. Wer Taizé kennt, der kennt es: Über alle Grenzen hinweg treffen sich in Burgund Menschen aus aller Welt, um gemeinsam zu beten und feiern. Communauté kennt keinerlei Grenzen. Solche Formen brauchen weder Kirchenzugehörigkeit noch Glaubensbekenntnis. Sie brauchen den Menschen, und jeder ist willkommen. Und uns, die Fans der österreichischen Nationalmannschaft, die braucht es in wenigen Tagen: Am 14. Juni bestreiten „wir“ das erste Spiel, am 18. das zweite. Die Vorfreude ist jetzt schon enorm.

Wir müssen gewinnen, alles andere ist primär.

Hans Krankl absolvierte von 1973 bis 1985 69 Länderspiele für Österreich und erzielte dabei 34 Tore.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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