SONNTAG. Der Tag zum Leben | Teil 08
Sorge um Arbeitsruhe

Am Sonntag, dem „Ur-Feier-Tag“, sollte nur Not wendende Arbeit zum Segen der Menschen durchgeführt werden (müssen). | Foto: Wodicka
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Auch in der Neuzeit wurde um eine angemessene Feier des Sonntags gerungen. Visitationsberichte des 16./17., teilweise noch des 18. Jahrhunderts zeichnen in den deutschsprachigen Ländern oftmals ein jämmerliches Bild der Liturgie und der Sonntagspraxis. Gegenstand der Auseiandersetzung war immer wieder die Sonntagsruhe. So sind durch die Jahrhunderte Ordnungen für unterschiedliche Stände überliefert, die regelten, welche Arbeiten am Sonntag nicht gestattet waren, und festlegten, wann die Arbeitsruhe begann und wann sie endete. Wenngleich solche Gebote immer wieder unterlaufen wurden, stand das Gebot als solches nicht zur Diskussion.

Das änderte sich mit dem Beginn der Industrialisierung und dem Auseinandertreten von staatlichem und kirchlichem Recht. Die Sonntagsruhe wurde als Folge neuer ökonomischer und technischer Anforderungen zunehmend in Frage gestellt. 1891 unterstrich Papst Leo XIII. in seiner Sozial­enzyklika „Rerum novarum“, dass die Sonntagsruhe eine durch die Religion geheiligte Ruhe von der Arbeit und ein vom Staat zu garantierendes Recht des Arbeiters sei. Der Codex des kirchlichen Rechts von 1917 schrieb das Gebot der Arbeitsruhe fest. Allerdings gab es auch kirchlicherseits Versuche, sich zu arrangieren. Aus dem kurtrierischen Niederselters mit seinem großen Mineralbrunnenbetrieb wird für das 18. und 19. Jahrhundert von der so genannten „Krugmesse“ berichtet, einer Frühmesse, die den Arbeitern, die auch sonn- und feiertags tätig waren, den Messbesuch ermöglichen sollte.

 

Vom „ersten Tag“ zum letzten Tag

Das Zweite Vatikanische Konzil hat in der Liturgiekonstitution (Kap. 106) den Sonntag wieder an der apostolischen Überlieferung orientiert. Der Tag wird auf den Auferstehungstag Christi zurückgeführt; die Kirche feiere an diesem „achten Tage, der deshalb mit Recht Tag des Herrn oder Herrentag genannt wird“, das Paschamysterium. Die Gläubigen nehmen an diesem Tag an der Messfeier teil, um so des Christusmysteriums zu gedenken und Gott dankzusagen. Der Sonntag wird als „Ur-Feier-Tag“ bezeichnet. Er soll in der Spiritualität der Gläubigen als ein Tag der Freude und der Muße Platz finden.

Die Konstitution hat festgelegt, dass andere liturgische Feste dem Sonntag nicht vorgezogen werden sollen, wenn sie nicht von höchster Bedeutung sind, denn: „Der Herrentag ist Fundament und Kern des ganzen liturgischen Jahres.“ Doch die Realität sieht meist anders aus. Das Erscheinungsbild des Sonntags hat sich mit der Neuordnung der Arbeitszeit und dem langen „Wochenende“, das mit dem Freitag beginnt, markant verändert. Kalendarisch ist aus dem „ersten Tag“ der letzte Tag der Woche geworden. Der christliche Sonntag besitzt, auch als Konsequenz einer verbreiteten Glaubenskrise, längst den Charakter einer Subkultur. Innerhalb der Kirchen wird er im Sinne der Tradition oft nur noch von Kerngruppen begangen, wie die gesunkene Zahl der Gottesdienstmitfeiernden signalisiert.

Die Erwartungen vieler Gläubigen an die Liturgie („Erlebnisgottesdienst“) haben sich geändert; aber auch die ästhetische Qualität der Gottesdienste wird häufig nicht als dem Gefeierten entsprechend empfunden. Zudem stellt sich in der katholischen Kirche zunehmend das Problem der „priesterlosen“ Sonntagsgottesdienste, das die Sonntagsliturgie erheblich tangiert. Immer häufiger können Gemeinden als Konsequenz des Mangels an ordinierten Priestern keine sonntägliche Eucharistie mehr feiern; Wortgottesdienste mit oder ohne Kommunionfeier treten an ihre Stelle.

 

Der Sonntag hält das Ostergeheimnis präsent

Doch die sonntägliche gottesdienstliche Versammlung ist als Ort gemeinschaftlicher Erinnerung für die Christen unverzichtbar. Daneben bedarf es einer ausgeprägten Sonntagskultur, die legitim vielfältig aussehen kann und individuelle Gestalt besitzen muss. Der Sonntag, der auch als „Wochenpascha“ bezeichnet wird, hält das Osterfest, das „Jahrespascha“ und damit das Ostergeheimnis präsent und unterbricht markant den wöchentlichen Zeitlauf. Durch die sonntägliche Messfeier, vor allem durch die Lesungen des Alten und Neuen Testaments, durch die Eucharistie und durch das gemeinschaftliche Gebet, werden menschliches Leben und menschliche Zeit im Licht der Heilsgeschichte Gottes mit den Menschen gedeutet. Die Liturgie feiert, dass diese Heilsgeschichte Gegenwartscharakter besitzt, dass sich Gott auch heute den Menschen als der Gott Israels und der Vater Jesu Christi erweist.

Das gemeinschaftliche symbolische Handeln, das dieses Grunddatum der Glaubensgemeinschaft immer neu wach hält, ist für die Existenz der christlichen Gemeinschaft und des einzelnen Christen unverzichtbar. Daran haben sich Christen über Jahrhunderte abgearbeitet und dem Sonntag Gestalt zu geben versucht. Für Christen der Gegenwart sollte das Anspruch zu einer eigenen kreativen Gestaltung des Sonntags sein.

 

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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