Gott in Frankreich | Teil 07
Per E-Mail ein langes Pfingstwochenende
Die lang ersehnte Nachricht kam zehn Tage vor dem Pfingstwochenende: „In Übereinstimmung mit dem französischen Gesetz ist die Universität am Pfingstmontag geschlossen. Die versäumten Lehrveranstaltungen müssen aber nachgeholt werden“, war in einem E-Mail an Studierende und Lehrende der Pariser Universität Sciences Po zu lesen. Ein langes „Pfingstwochenende“? In Frankreich keine Selbstverständlichkeit.
„Total normal“ kommentiert meine Französisch-Professorin diese kurzfristige Bekanntgabe eines freien Tages: „Franzosen haben im Jahr 5 staatliche und 5 religiöse Feiertage. Über den 11. freien Tag, den Pfingstmontag, bestimmt der Arbeitgeber.“ Nach der Hitzewelle vom Sommer 2003 mit zahlreichen Todesfällen hatte die französische Regierung den Pfingstmontag ursprünglich gänzlich als gesetzlichen Feiertag gestrichen. Die an diesem zusätzlichen Arbeitstag erwirtschafteten Mehreinnahmen sollten in die Alten- und Behindertenpflege fließen. Gewerkschaften riefen daraufhin zum Streik auf. Im Jahr 2005 erschien trotz des eigentlich regulären Schultags am Pfingstmontag nur ein Viertel der Schüler zum Unterricht. Aufgrund dieser heftigen Proteste überlässt die Regierung seither dem Arbeitgeber die Entscheidung, zu welchem Zeitpunkt man die zusätzlichen Stunden einarbeitet.
Katholisches Frankreich?
Während die einen von einer wichtigen Maßnahme für eine solidarische Gesellschaft sprechen, sehen andere in der wahlweisen Abschaffung des Pfingstmontags ein weiteres Anzeichen für eine „Entchristianisierung“ Frankreichs. Die Zahl der praktizierenden Katholiken schwindet ohnedies drastisch, erwidert man wiederum.
Laut einer am Beginn dieses Jahres für die renommierte französische Tageszeitung „Le Monde“ durchgeführten Umfrage bezeichnen sich 51% der Franzosen als katholisch. Im Jahr 1994 hatte dasselbe Institut noch 67% Katholiken gezählt. 5% von ihnen besuchen den Gottesdienst regelmäßig. Kirchliche Taufen und Eheschließungen sind trotz eines leichten Anstiegs in den letzten Jahren rückläufig. Im Zeitraum von 1960 bis 2000 sank die Zahl der Priester um die Hälfte. Nur noch 30% der jungen Franzosen nehmen am katholischen Religionsunterricht teil. Die Zahl derer, die sich als Agnostiker sehen (27%), vergrößert sich ständig.
Arbeitsfreier Sonntag
„Man kann von einer Minderheiten-Kultur sprechen“, analysiert die Religionssoziologin Danièle Hervieu-Léger den gegenwärtigen Katholizismus Frankreichs, welcher ursprünglich alle französischen Institutionen – Schule, Spitäler, Sozialeinrichtungen, Familie – geprägt hat. Reste der christlichen Kultur funktioniert man um. Wie im Streit um den freien Pfingstmontag spiegelt sich auch in einem anderen Fall diese Haltung wider: Trotz der stark abnehmenden Zahl an Katholiken bekennen sich vier von fünf Franzosen zu einem arbeitsfreien Sonntag. Wichtiges Detail: Drei Viertel gaben an, keine religiöse Bedeutung darin zu sehen.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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