Christentum - Ein Reiseführer | Etappe 054
Im Mittelalter
Kaiser und Papst: Konflikte um die Macht
Da der Kaiser seiner Rolle als Schutzherr der Kirche immer weniger nachkommen konnte, wuchs die Bedeutung des Papstamtes und führte zu einem neuen Selbstbewusstsein, in welchem die Kirche sich der weltlichen Herrschaft überordnete.
In seinem Schreiben „Dictatus Papae“ forderte Gregor VII. im Jahr 1075 unzweideutig die Unterordnung der weltlichen Macht und dass „nur die Füße des Papstes zu küssen seien“. Den Regenten wurde jegliches Recht abgesprochen, sich in Bischofs- oder Abtswahlen einzumischen. Dies führte zum so genannten „Investiturstreit“, der Auseianandersetzung darüber, wem es zustünde, Kirchenfürsten ein- und abzusetzen. Die Bischöfe des Reiches ließen sich schnell in das Lager Kaiser Heinrichs IV. ziehen und erklärten Papst Gregor für abgesetzt. Der Papst wiederum belegte den Kaiser mit dem Bann und löste damit auch den Treueid seiner Untertanen.
Der bedrängte Kaiser sah sich im Winter 1076/1077 gezwungen, mit Frau und Kind seinen berühmt gewordenen „Gang nach Canossa“ anzutreten, um dort vom Papst die Lösung vom Bann zu erhalten. Der Papst gewährte ihm diese nach drei Tagen mit der Auflage, die abtrünnigen Fürsten wieder seiner Herrschaft zu unterwerfen. Die Querelen zwischen Papsttum und Kaisertum gingen weiter, bis im Wormser Konkordat von 1122 die Übereinkunft einer „Doppelinvestitur“ gefunden wurde: Dem König verblieb die weltliche Investitur (Amtseinsetzung), symbolisch durch das Zepter dargestellt. Dem Papst dagegen stand es zu, die durch Ring und Bischofsstab dargestellten kirchlichen Rechte und Pflichten zu verleihen.
Im 13. Jahrhundert nahm Papst Innozenz III. den Titel eines „Stellvertreters Christi“ in Anspruch. Mit Papst Bonifaz VIII. (1294 bis 1303) begann ein neuer schwerer Konflikt und eine demütigende Niederlage: Nachdem es dem Papst nicht gelungen war, sich dem Vormachtsstreben Frankreichs zu widersetzen, drohte er dem französischen König Philipp IV. mit dem Kirchenbann. Daraufhin nahmen französische Soldaten den Papst in Anagni gefangen. Einige Jahre später nahm Clemens V. seinen Sitz in Avignon, wo die Päpste fast 70 Jahre unter Einfluss der französischen Könige residierten.
Der Streit um Macht und Einfluss führte auch innerkirchlich immer wieder zu Eskalationen. Den Höhepunkt erlebte die mittelalterliche Kirche im Großen Abendländischen Schisma. Als 1414 das Konzil von Konstanz begonnen wurde, stritten sich drei Päpste um die rechtmäßige Nachfolge des Petrus.
Unabhängig von allen kirchenpolitischen Querelen erlebten im Hochmittelalter die großen Ordensgemeinschaften eine neue Renaissance. In den „Bettelorden“ der Franziskaner und Dominikaner entstanden neue geistliche Bewegungen. Die Mönche wanderten von Stadt zu Stadt, um das Evangelium zu verkünden und den religiösen Bildungsstand des einfachen Volkes zu heben. Gegen den Geist der Verweltlichung hielten sie das Armutsideal der Urkirche hoch. In diese Epoche fallen auch der Bau großartiger Kathedralen, eine neue Blütezeit theologischen Denkens sowie die Mystik als ungebrochen faszinierende Form der Gottsuche. Inquisition, Kreuzzüge und Ketzerverfolgungen sind die Schattenseiten jener großen Zeit.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.