Werke der Barmherzigkeit mit P. Anselm Grün | Teil 02
Ich war durstig.

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Als ich während meines Studiums in Rom mit ein paar französischen Mitbrüdern eine Woche in Italien wandern war, war es selbstverständlich, dass uns die Bewohner eines Dorfes ihre Häuser öffneten und uns den Wassersack füllen ließen. In Deutschland habe ich da andere Erfahrungen gemacht. Da ist es nicht selbstverständlich, dass man einem öffnet, der darum bittet, seine Wasserflasche zu füllen.

 

Gastfreundschaft und Zuwendung
Wenn ich in einem Haus zu Gast bin, werde ich oft gefragt, ob ich etwas trinken möchte. Dem andern etwas zum Trinken anzubieten, ist eine wichtige Form der Gastfreundschaft. Wenn ich lange mit dem Auto gefahren bin, bin ich durstig. Da bin ich froh, wenn man mir Wasser anbietet. Ich erlebe es immer wieder auch, dass jemand beim Vortrag nicht daran denkt, dass man vorher oder nachher ein Glas Wasser trinken möchte, um besser sprechen zu können. So spüre ich die Aufmerksamkeit oder Unaufmerksamkeit der Gastgeber.'
Dem Gast etwas zu trinken zu geben ist eine wichtige Form der Zuwendung. In ihr wird nicht nur der äußere Durst des Menschen gestillt, sondern auch der Durst nach Nähe und Zuwendung.

Ein Bild der Sehnsucht
Der Durst ist für Jesus immer auch ein Bild für die tiefste Sehnsucht des Menschen. Wenn Jesus mit der Samariterin über den Durst spricht, dann geht es nicht nur um das Wasser, sondern um den Durst des Herzens. Jesus selbst ist durstig und sagt der Samariterin: „Gib mir zu trinken!“ (Joh 4,7)
Sie reden über den Durst. Aber sie kommen sehr schnell auf tiefere Themen zu sprechen, auf den Durst nach Liebe, nach Leben, nach Lebendigkeit. Und Jesus verheißt der Frau: „Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt.“ (Joh 4,13f)

Jesus, die Quelle
Das Wasser, das Jesus uns zu trinken gibt, ist sein Geist. Er will in uns zu einer Quelle werden, die in uns sprudelt, die uns davor bewahrt, innerlich zu vertrocknen. Als die Frau Jesus bittet, er möge ihr doch dieses Wasser geben, damit sie nicht mehr täglich zum Brunnen kommen muss, antwortet ihr Jesus: „Geh, ruf deinen Mann, und komm wieder her!“ (Joh 4,16)

Durst nach Liebe
Auf den ersten Blick nimmt hier das Gespräch eine ganz andere Wendung. Doch Jesus will mit dem Hinweis auf ihren Mann den Durst nach Liebe ansprechen.
Die Frau meint, sie hätte keinen Mann. Jesus antwortet: „Du hast richtig gesagt: Ich habe keinen Mann. Denn fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann. Damit hast du die Wahrheit gesagt.“ (Joh 4,17f)
Sechs Männer haben den Durst der Frau nach Liebe nicht gestillt. In Jesus begegnet ihr der siebte Mann, der ihre Sehnsucht nach einer Liebe erfüllt, die nicht nur kurz verzaubert, dann aber enttäuscht.

Wahrer Durst
Die Liebe, die Jesus ihr schenkt, hat eine andere Qualität. Sie fließt aus Gott. Jesus will der Frau sagen: Der wahre Durst des Menschen ist der nach Liebe.
Und dieser Durst wird nie allein von Menschen gestillt werden, sondern nur wenn Gottes Liebe in uns einströmt und in uns zur Quelle der Liebe wird, die nie versiegt und die unabhängig ist von der Liebe, die wir gerade durch Menschen erfahren oder nicht erfahren.

"... wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden..."
(Joh 4,14)

Fastenzeit mit Anselm Grün | Foto: Barbara Beyer, ©  2010 KNA-Bild all rights reserved.
Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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