Christentum - Ein Reiseführer | Etappe 053
Großes Schisma

Die Hagia Sophia war einst zentraler Schauplatz des Konfliktes. Hier sprach der römische Kardinal Humbert de Silva Candida das Anathema gegen den Patriarchen von Konstantinopel aus. | Foto: wmc
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Die Trennung von Ost- und Westkirche

Der Spaltung geht eine lange Geschichte fortschreitender Entfremdung voraus.

Es sind weniger die kulturellen, sprachlichen und theologischen Unterschiede, die zur Trennung führten, als kirchenpolitische Kalküle. Die politischen Konstellationen der vorangegangenen Jahrhunderte, allen voran die Krönung Karls des Großen zum Kaiser des Römischen Reiches im Westen durch den Papst, hatten zu einer erheblichen Verschlechterung der Beziehungen zwischen dem Ostreich und dem Westen geführt. Der Kaiser in Konstantinopel fühlte sich durch die Einsetzung eines „Barbarenfürsten“ seiner Macht und Autorität beraubt. Dieses Trauma bestimmte die Beziehungen zwischen Ost und West über die Jahrhunderte.

Um eine sich ankündigende Auseinandersetzung um die Ausweitung des westlichen Ritus abzuwenden, sandte Papst Leo IX. 1054 eine Abordnung nach Konstantinopel, die von dem Kardinal Humbert de Silva Candida, der ein cholerisches Temperament hatte, angeführt wurde. Die Delegation beharrte gegenüber dem dortigen Patriarchen Michael Kerularius auf dem Alleinherrschaftsanspruch des Papstes, den sie mit Verweis auf die Petrusnachfolge begründete. Der Kardinal bestritt dabei sowohl den Titel als auch die Gültigkeit der Weihe des Patriarchen. Da die Verhandlungen nicht vorangingen, fertigte er in einem Anfall von „gerechtem Zorn“ die Exkommunikationsbulle für den Patriarchen aus. Diese legte er auf dem Hauptaltar der Hagia Sophia nieder, als sich der anwesende Klerus und das Volk gerade anschickten, den gemeinsamen Gottesdienst zu beginnen.

Der Ausruf „Videat Deus et iudicet“ (Möge Gott sehen und richten) bekräftigte diesen Akt. Nach der Abreise der römischen Delegation wurden Humbert de Silva Candida und seine Begleiter ihrerseits vom Patriarchen von Konstantinopel exkommuniziert, wobei sich dieser Akt nicht auf den römischen Papst bezog. Die übrigen Patriarchate des Ostens hatten sich klar auf die Seite Konstantinopels gestellt und die Ansprüche Roms zurückgewiesen.

Eine bis heute belastende Zäsur in der Beziehung zwischen Ost- und Westkirche stellt die Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer im Jahre 1204 dar. In drei Tagen wurde die Stadt erobert und samt ihren Kirchen geplündert, deren Reliquien man in den Westen brachte. Ab dem 16. Jahrhundert begannen sich Teilkirchen der orthodoxen Christenheit wieder unter den Primat des Papstes zu stellen. Dies führte dazu, dass es momentan unter dem Dach der katholischen Kirche verschiedene „Kirchen eigenen Rechts“ gibt, mit eigenem Ritus und mit eigener Rechtsprechung, die aber als mit Rom vereint, „uniert“, gelten.

Erst 900 Jahre nach der Bannbulle zeichnete sich ein Durchbruch in den Beziehungen ab: Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras hoben im Jahr 1965 die gegenseitige Exkommunikation auf. Unter Papst Benedikt XVI. kam es in den letzten Jahren zu deutlichen Zeichen der Annäherung und des Dialogs.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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