Taizé: Einfach Leben | Teil 05
Gottes Gnade ist bunt
Wenn man das Christentum zu einer individualistischen Religion, zu einer Privatbeziehung zwischen Gott und der Seele macht, vergisst man einen wesentlichen Aspekt des Glaubens. Er macht uns nämlich zu Gliedern einer großen Familie, welche die heiligen Zeugen Christi, seit den Aposteln und der Jungfrau Maria bis zu den heutigen Christen, und sogar die Glaubenden des Bundes mit Abraham und Moses umfasst. Diese Familie wiederum besteht nicht für sich selbst, sondern um ein Zeichen des Friedens, des Vertrauens und der Freude für die ganze Menschheit zu sein.
Im Evangelium erklärte Jesus, er sei gekommen, um das Reich Gottes auszurufen. Das heißt, er verkündigte ein neues Handeln Gottes, um in der Menschheitsgeschichte eine gerechte und friedfertige Gesellschaft hervorzurufen, in welcher die Menschen endlich geschwisterlich zusammenleben.
Das wesentliche Gesetz dieses Reiches ist das Gesetz der Solidarität. Jesus fasste es in einem berühmten Satz zusammen: „Was du von andern erwartest, das tu auch ihnen!“ Das heißt, zwischen dir und jedem andern nach Gottes Bild erschaffenen Menschen gibt es keinen wesentlichen Un-terschied.
Für einen Jünger Jesu Christi dreht sich also nicht mehr alles um sein eigenes Leben, seine Familie, sein Land, seine Gemeinde. Wer ein Jünger Jesu sein will, versteht sich als Glied der weltweiten Familie Gottes, der jeden Einzelnen mit besonderer Zuneigung liebt.
Viele jüngere und auch ältere Besucher von Taizé entdecken durch das Zusammenleben mit anderen Menschen ganz verschiedener Herkunft diesen weltweiten Horizont. Die Herausforderung besteht dann darin, diese Solidarität zu Hause im Alltag umzusetzen.
Braucht man es überhaupt zu sagen? Jede Form von Rassismus und Diskriminierung widerspricht der Botschaft des Evangeliums diametral. Ein Christ kann keine Ruhe haben, solange die Würde jedes Mannes und jeder Frau nicht voll anerkannt wird.
Diese Solidarität schließt natürlich eine große Vielfalt in vielen Bereichen nicht aus. Petrus spricht in seinem ersten Brief von der „bunten Gnade Gottes“: Gottes Familie soll wie ein Regenbogen mit seiner Farbenharmonie oder wie ein vielstimmiger Gesang sein. Was ist mein Platz in diesem Konzert? Wie soll ich handeln, damit auch alle anderen ihre Rolle ungehindert spielen können?
Als ich zuerst nach Taizé kam, hatte ich nicht die Idee, dort zu bleiben. Ich war aber von der Vorstellung fasziniert, dass eine Gemeinschaft mit Brüdern aus vielen Ländern und vielen Konfessionen ein klares Zeichen vom Evangelium sein könnte.
Bei meinem ersten Besuch war Taizé ganz ruhig, ich entdeckte vor allem die Stille und das Gebet.
Das zweite Mal war in der Karwoche, und dort erlebte ich die Freude, Jugendliche wie mich aus vielen Ländern und Herkünften kennen zu lernen.
Ich fühlte, dass ich mit meiner Suche nicht allein war, dass die Kirche viel größer als meine Kirchengemeinde oder mein Freundeskreis ist.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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