Abenteuer Gottesglaube | Teil 07
Geworfen in einen reißenden Fluss
Glauben, das Abenteuer
Mit Bibelschülern wandere ich zu einer Ruine hoch oben auf dem Berg. Es ist ein Turm der Stadtmauer aus der Zeit von Alexander dem Großen. Hier soll Paulus gefangen gewesen sein. Wir schauen hinunter auf den alten Hafen von Ephesus und auf das antike Theater. Dann lese ich Jahr für Jahr laut die Narrenrede, die Paulus an seine verkommene Gemeinde in Korinth schreibt (2 Korinther 11,16–12,13). Mit letzten Mitteln will er die Kirche retten.
Aufs Ganze glauben. Das Abenteuer Gottesglaube geht aufs Ganze, es verlangt eine gute Kondition und starke Begleitung. Finde ich immer die Kräfte? Wer geht mit mir?
Mit Freunden. Ich habe Freunde. Costel ist einer davon. „Ein treuer Freund ist wie ein festes Zelt“ (Jesus Sirach 6,14). Auf ihn kann ich bauen, wenn ich in Not gerate. Und ich werde mich immer für ihn einsetzen. Tausend Kinder, die einmal auf der Straße waren, beten abends für ihre Freunde und für den Pater. „…wenn er sich zur Ruhe legt, soll keine Sorge, kein Seufzer ihn beunruhigen.“ Könnte ich klagen, wenn ich nur einmal im Jahr zu den Jesuiten komme und dort fremd bin?
Costel kennt seinen Vater nicht. Als er seiner Mutter das erste Mal in der Psychiatrie begegnete, sagte sie nur: „Hast du Zigaretten für mich?“ Costel hat Mitleid mit seiner Mutter und hilft ihr. Könnte ich mich da-rüber beschweren, dass meine Eltern längst gestorben sind oder dass es Verletzungen in der Kindheit gab? Ich bin meinen Eltern und manchen guten Lehrern, die ich hatte, zutiefst verbunden. Die meisten von ihnen sind schon in der anderen Welt. Gott vergelte ihnen das Gute.
In Begleitung. Seit fast 30 Jahren begleitet mich Ruth. Sie wurde meine Schülerin in der Sozialarbeit. Wir machten Jugendreisen in die Wüste, nach Israel und auf den Spuren des Paulus. Ohne ihre Hilfe hätte ich das Werk für die Straßenkinder nicht aufbauen können. Jetzt macht sie ihr eigenes Projekt für verwahrloste Roma-Kinder in Transsilvanien, und ich helfe ihr, so lange ich kann. Wo Ruth ist, wird gebetet und gibt es Blumen. Könnten Bürokratie und weltliche Mächte die christliche Sozialarbeit erdrücken?
Mit Kindern. Die stärksten Kinder sind um mich, viele. Die kleine Babanuza, die orthodox ist, setzt sich in der Messe neben mich und trommelt. Sie riecht nach Lagerfeuer. Sie trägt handgestrickte rote Socken, die ich ihr schenken durfte. Sie lehrt mich Worte aus ihrer Roma-Sprache. In ihrem dunklen Gesicht leuchtet mir eine fremde Welt entgegen. Einsamkeit oder Langeweile kenne ich nicht. Die Kinder führen mich in die Welt von tausend und einer Nacht.
Menschen mit Herzkraft. Bei Kardinal Martini bin ich auf ein hörendes Herz gestoßen. Er hat sich für die Arbeit der Jugendlichen und für die Armen interessiert. Ich konnte bei ihm mein Herz ausschütten. Bis zuletzt stärkte er mich und forderte mich heraus. Welches neue Projekt hast du, was kannst du für die Kirche tun? Als er starb, sagte ich: Jetzt ist mein letzter Freund im Orden gestorben. Habe ich einen Grund, mich zu beschweren über Zynismus in der Ordensgemeinschaft, wenn ich solche Herzkraft empfange? Könnte ich über Kälte klagen, solange ich Freunde habe wie Pater Klaus in Frankfurt?
Mit Kämpfern für Gerechtigkeit. In der Sozialarbeit begegne ich den interessantesten Leuten. Sie brauchen dich oder wollen dir etwas geben oder sich einsetzen. Vor allem junge Menschen kommen zu uns. Sie sind kritisch und widerspenstig, aber voller Idealismus. Sie treiben mich weiter und überwinden meinen Egoismus. Die Kämpfer für Gerechtigkeit lassen die Sorgen der alten und die Selbstzufriedenheit der reichen Welt verblassen.
In der Schule der Bibel. Ich habe nun die Kirche, meine Ordensgemeinschaft, meine Familie beschrieben – mit den Ärgernissen und Überraschungen, in die das Abenteuer Gottesglaube führt. Es ist das Leben einer Bibelschule.
Gemütlich ist es nicht. Morgens stehe ich früh auf, weil ich nicht schlafen kann. Dann plane ich den Tag und ordne die Aufgaben, damit ich wenigstens die wichtigen erledigen werde. Ohne die unerwartete Gemeinschaft, die mir entgegenkommt, könnte ich meine Arbeit nicht tun. Gott rettet mich, indem er Meile für Meile starke Menschen mit mir laufen lässt.
Dank. Am Abend feiern wir meist die Messe. Da darf ich einen Tag voller Abenteuer und Unzufriedenheit, weil noch so viel Not bleibt, auf den Altar legen, aber auch das Glück, dass Gott mich in diesen reißenden Fluss geworfen hat.
Der Tag muss für einen Jesuiten mit dem Rückblick enden: Danken für die empfangenen Wohltaten. Dann spüre ich auch, wie ich auf die Liebe die Antwort schuldig geblieben bin. Was mir geschenkt wurde und was mir fehlt, übergebe ich dem barmherzigen Vater, während ich einschlafe.
P. Georg Sporschill
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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