Franz Jägerstätter | Teil 01
Gewissenstäter zahlen für ihre Treue einen hohen Preis
„Das muss jeder mit seinem Gewissen ausmachen.“ So hört man immer wieder in privaten oder öffentlichen Debatten über ethische Konfliktthemen. Darin schwingt ein resignativer Unterton mit, das heißt ein Konsens über ethische Werte und Verbindlichkeit ist nicht mehr zu erwarten.Was gut ist und was böse, das liegt jenseits vernünftiger Verständigung.
In meinen Entscheidungen lasse ich mir nicht dreinreden, nicht von der Gesellschaft, nicht vom Staat, auch nicht von der Kirche; ich möchte mich auch nicht rechtfertigen müssen für das, was ich entscheide, was ich tue oder lasse. Mit der Berufung auf das Gewissen wird oft das Ziel verfolgt, die individuellen Kosten einer Gewissensentscheidung niedrig zu halten. Gewissen ist da die Instanz der Selbstrechtfertigung.
Dem gegenüber haben die Gewissenstäter der Vergangenheit wie Thomas Morus oder Franz Jägerstätter einen hohen Preis für die Treue zu ihrem Gewissen bezahlt, einen Preis, der das Opfer des eigenen Lebens einschloss. Das Gewissen war für sie verbindliche Instanz, für die sie den Kopf hingehalten haben.
Im Zeugnis von Franz Jägerstätter strahlt die Würde der menschlichen Person auf, die Würde des menschlichen Gewissens. Das Gewissen war für Jägerstätter der Ort des Gehorsams Gott gegenüber. „Er könne nicht gleichzeitig Nationalsozialist und Katholik sein; …es gebe Dinge, wo man Gott mehr gehorchen müsse als den Menschen“ (Aus der Begründung des Reichskriegsgerichtsurteils vom 6. Juli 1943). Jägerstätter war keiner, der der Mehrheit nach dem Mund geredet hat. Er wollte sich nicht auf allgemeine Vorschriften und Regeln ausreden. Er ist ein „einsamer Zeuge“ des Gewissens.
Das Gewissen lässt sich für Jägerstätter nicht durch die Autorität der Obrigkeit suspendieren. Absolutes und letztes Kriterium für das Gewissen ist bei Jägerstätter der Wille Gottes: „Keiner irdischen Macht steht es zu, die Gewissen zu knechten. Gottes Recht bricht Menschenrecht“ (Gefängnisbriefe und Aufzeichnungen 191). „Das Festhalten des Willens des Vaters ist für Jesus die oberste Norm“ (190).
An Jesus liest Jägerstätter den Willen des Vaters ab: „Wenn uns der ‚Sinn Christi‘ abgeht, werden wir nie den Standpunkt wahrhaft religiöser Menschen verstehen“ (193f.). Jägerstätter spricht sehr deutlich von Verantwortung und Verantwortungslosigkeit, von Sünde und Schuld, auch im Hinblick auf den Krieg und die damit verbundenen Verbrechen.
Bei der Entscheidung Jägerstätters geht es um sittliche Urteilskraft, um ein Gewissensurteil, das sich nicht nach der Masse ausrichtet. Der damalige Zusammenhang waren Krieg und Frieden, Gerechtigkeit und Terror, Leben oder Tod. Beim Gewissenszeugnis Jägerstätters geht es also ganz und gar nicht um Moral zum billigeren Tarif, nicht um Willkür oder Unverbindlichkeit, auch nicht um eine Skepsis gegenüber Ethik und Moral. Im Gegenteil: Es geht um nichts weniger als die Frage, ob Gut und Böse absolut gelten oder vom Menschen nach Belieben uminterpretiert werden können. Heute sind die Zusammenhänge vielleicht anders, aber es geht auch um Fragen des Rechts auf Leben, um Menschenwürde, um Gerechtigkeit, um die Gottesfrage.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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