Edith Stein - Patronin Europas | Teil 04
Frau und Beruf(ung)
„Ich war eine radikale Frauenrechtlerin geworden“, bekannte Edith Stein rückblickend auf ihre Studienzeit. Die Gleichstellung von Mann und Frau und das Frauenwahlrecht waren ihr wichtige Anliegen.
Als Edith Stein zwischen 1928 und 1932 in zahlreichen Vorträgen zu Frauenfragen Stellung nahm, entschied sie sich, das Thema „sachlich“ anzugehen. Zu diesem Zeitpunkt blickte sie bereits auf mehrere gescheiterte Habilitationsversuche zurück, und es war ihr sehr bewusst, dass das auch mit ihrem Frau-Sein zu tun hatte. Die Fragen, die sie mit ihrem Publikum erörterte, waren auch ihre eigenen existenziellen Fragen. Was ist die dem Wesen der Frau gerechte Lebensaufgabe?
Frauen im Beruf. Edith Stein sieht für Frauen eine politische, berufliche und persönliche Lebensdimension. Im Blick auf die politische und berufliche differenziert sie, dass Gleichstellung der Frau nicht völlige Gleichheit mit dem Mann heißt, sondern gleiche Anerkennung bedeutet. Hinsichtlich Sinnerfahrung unterscheidet sie zwischen Beruf und Erwerbstätigkeit. Finanzielle Not macht die Erwerbstätigkeit von Frauen für den Erhalt der Familie erforderlich und kann zu einer Belastung werden, die Frauen anders trifft als Männer. Erfülltes Berufsleben aber ist etwas anderes. Sie ist überzeugt, dass Frauen – unabhängig, in welchem Beruf sie arbeiten – durch ihre weibliche Art, wie sie ihn ausüben, das jeweilige Berufsbild neu gestalten können.
Berufung der Frau. „Berufung“ bezeichnet – über die Lebensentscheidung von Priestern und Ordenschristen hinaus – auch erfülltes Berufsleben. Sie umschreibt die Stimmigkeit von innerer Einstellung und äußerem Handeln, ein Potenzial zufriedenen Lebens, trotz Mangel und Widerstand, das auf einen vernehmbaren und doch geheimnisvollen Ruf zurückgeht. Gibt es – in diesem Sinn – überhaupt eine „Berufung der Frau“, wo doch das Frau-Sein naturgemäß ist? Dem Schöpfungsbericht nach ist jeder Mensch – also auch die Frau – nicht nur von Gott geschaffen, sondern auch berufen. Für Stein ist die Berufung in der „Natur des Menschen“ vorgezeichnet. Ein beredtes Zeugnis ist ihr eigener Berufsweg – geprägt von ihrer Begabung zu wissenschaftlicher Tätigkeit und dem Suchen nach geeigneter Berufsausübung. Mit dem Eintritt in den Karmel (1933), so meinte sie, sei wissenschaftliches Arbeiten zu Ende. Ihr philosophisches Hauptwerk „Endliches und ewiges Sein“ (1935 bis 1937) zeigt, dass ihre Vorgesetzten sahen, was in „ihrer Natur vorgezeichnet“ und somit ihre Berufung war.
In kirchengeschichtlichen Quellen beobachtet Edith Stein, dass der Berufung zum Ordensleben stets Männer und Frauen folgten, doch die Berufung zum Priestertum Männern vorbehalten ist. Sie nimmt auch Bezug auf geweihte Diakoninnen, deren Wirken in der Westkirche bis ins 8. Jahrhundert bezeugt ist. Weihe bedeutet im ursprünglichen Sinn immer, dass sie einem Menschen „für andere“ gespendet wird.
Die Antwort des Lebens. Bis zum heutigen Tag hat sich eine Vielfalt kirchlicher Berufe entwickelt, die auch von Frauen ausgeübt werden können. Weltweit betrachtet wirken Frauen auf vielfältigste Weise im kirchlichen Leben mit: am Dienst der Verkündigung, des sakramentalen Lebens und der Sorge für die Menschen. Zunehmend stehen auch leitende Positionen in Pastoralämtern, Ordinariaten und theologischen Universitäten Frauen offen. In den Überlegungen Edith Steins finden sich ermutigende Impulse – auch für Frauen des 21. Jahrhunderts – zu kirchlichem Engagement entsprechend der persönlichen Begabung und Berufung. So können Frauen „kirchliches Amt“ mitprägen im Sinne eines „offenen Prozesses“ – und Entwicklung wird geschehen…
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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