300 Jahre Immanuel Kant | Teil 2
„Es ist gut“

Für Immanuel Kant (1724–1804) verstößt der Krieg gegen das Höchste, was den Menschen auszeichnet – die Verpflichtung auf die universal verbindlichen Gebote und Verbote. | Foto: iStock.com
  • Für Immanuel Kant (1724–1804) verstößt der Krieg gegen das Höchste, was den Menschen auszeichnet – die Verpflichtung auf die universal verbindlichen Gebote und Verbote.
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Vor 300 Jahren wurde einer der bedeutendsten Philosophen der Geschichte, Immanuel Kant, geboren. Sein Wahlspruch durchzieht die Aufklärung: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“

Die Frage, die sich Immanuel Kant in seiner „Kritik der reinen Vernunft“ (1781), eines der wichtigsten Bücher in der Geschichte der Philosophie, stellte, ließ sich kaum auf ein paar Seiten abhandeln: Was kann der Mensch wissen? Wie sicher ist unsere Erkenntnis?
Im Gegensatz zu den philosophischen Halbgöttern seiner Epoche, Gottfried Wilhelm Leibniz und John Locke, aber gestützt auf den skeptischen Schotten David Hume, misstraute Kant der gängigen Logik und hielt das menschliche Urteilsvermögen für begrenzt. Wahrnehmen, erkennen, begreifen könne der Mensch immer nur die „Welt der Erscheinungen“, nicht das „Ding an sich“.

Auf die Sinneswahrnehmungen soll er sich deshalb nicht allzu sehr verlassen – und stattdessen nach der Erkenntnis streben, die unabhängig von sinnlicher Erfahrung dank der inneren Natur seines Geistes zustande komme: durch die „reine Vernunft“. Zum Glück besitzt der Mensch eine Grundausstattung von Begriffen, die das von Augen, Ohren und den übrigen Sinnen gelieferte Anschauungsmaterial in eine sinnvolle Ordnung zu bringen vermögen. Der Verstand ist es, der die Erfahrung ordnet; das denkende Bewusstsein ist es, das in die tausend Wahrnehmungen und Reize unseres Alltags Sinn und Licht bringt.

Erst allmählich begriff man die Bedeutung dieser Gedanken: Kant macht die Philosophie unabhängig von der empirischen Naturwissenschaft und begründet damit eine methodisch autonome Philosophie.

Warum Mönche ihren Hund „Kant“ nannten 
Theologen haben dem kleinen Professor aus Königsberg damals nicht verziehen, dass er sämtliche klassischen Gottesbeweise widerlegte – sogar einen, den er kurz zuvor selbst entwickelt hatte. Die Ordnung im Universum sei gewiss kein Zufall, doch die Kraft, die das ganze System sinnvoll zusammenhalte, müsse keineswegs mit dessem Schöpfer identisch sein. Verständlich, dass wütende Mönche irgendwo in einem deutschen Kloster ihren Wachhund „Kant“ riefen, um sich an dem Freigeist zu rächen.

Heute geht die Theologie fairer mit dem rebellischen Denker um. Mittlerweile predigen auch Bischöfe, dass Gott kein Gegenstand des Wissens, sondern des Glaubens sei. Und man hält Kant zugute, dass er die Fiktion der wissenschaftlichen Gottesbeweise zerstört habe, um – in seinen eigenen Worten – „Platz für den Glauben zu bekommen“.

Vor allem aber legte Kant Wert darauf, dass der Begriff „Gott“ eine durchaus vernünftige Möglichkeit des Denkens sei. In seiner 1788 erschienenen „Kritik der praktischen Vernunft“ – das verübelten ihm nun wieder manche glaubenslosen Kollegen – erläuterte er sogar lang und breit, dass ein gleichzeitig moralisches und glückliches Leben ohne Gott nur schwer zu führen sei.
„Ohne einen Gott“, schreibt Kant, „und eine für uns jetzt nicht sichtbare, aber gehoffte Welt sind die herrlichen Ideen der Sittlichkeit zwar Gegenstände des Beifalls und der Bewunderung, aber nicht Triebfeder des Vorsatzes und der Ausübung.“

Denn im menschlichen Herzen wohnen laut Kant zwei Grundbedürfnisse: die Sehnsucht nach Glückseligkeit und das moralische Interesse, das Gebot der Pflicht. In seinem „Kategorischen Imperativ“ hat er es unüberbietbar knapp zu einer Lesebuchweisheit formuliert: „Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.“ [...]

Aufruf „Zum ewigen Frieden“
Auch seine Kritik an kirchlichen Machtgelüsten und dem Missbrauch der Religion für politische Zwecke dürften ihm heutige Christen kaum übelnehmen. Kant äußerte diese Kritik als 67-Jähriger in seinem Buch „Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“. Das „Reich der Priester“ sei nicht unbedingt das von Christus verkündete Reich Gottes, gab Kant zu bedenken. Statt die Menschen in tausend Sekten zu spalten, hätte die Religion die Aufgabe, sie unter einem gemeinsamen moralischen Gesetz zusammenzuführen.

Die preußischen Behörden waren jedenfalls äußerst unzufrieden mit dem greisen Gelehrten, der 1795 in seiner philosophischen Betrachtung „Zum ewigen Frieden“ Kriege rundweg – als mit der Vernunft nicht vereinbar – verworfen hatte. Stattdessen schlug er die Einrichtung eines Völkerbunds vor (der 1919 unter ausdrücklicher Berufung auf den Philosophen tatsächlich gegründet wurde). Und zu allem Überfluss forderte er auch noch ernsthaft eine republikanische Verfassung für sämtliche Teilnehmerstaaten. Die immensen Rüstungsausgaben sollten lieber für gute Schulen verwendet werden.

Der alte Mann, zu müde zum Kämpfen, verstummte. Noch ein paar Jahre, und seine körperlichen wie geistigen Kräfte begannen rapide zu verfallen. Am 12. Februar 1804 schlief er friedlich ein, mit den Worten „Es ist gut“. Aufklärer und Pioniere einer gerechteren Welt zehren bis heute – oft ohne es zu wissen – von den Ideen des scheuen Gelehrten, der den Menschen immer wieder zum „Ausgang aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“, wie er schrieb, ermuntert hatte. „Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ ist also der Wahlspruch der Aufklärung.

Christian Feldmann

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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