Bei uns daheim | Teil 03
Eine Ungarin führt eine K. und K. Ehe

Wir wollen Menschen erreichen, die sich nicht trauen, um Hilfe zu bitten. Hilfe ist nicht immer einfach. Auf die Menschen einzugehen bedeutet, sich mit allen Aspekten der Armut, die man oft nicht sieht, die versteckt ist, auseinanderzusetzen. | Foto: Neuhold
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Ich habe noch nie bereut, dass ich hergekommen bin

Österreich war sehr großzügig uns Ungarn gegenüber, als 1956 so viele von uns herübergekommen sind“, bemerkt dankbar Erika Sammer-Ernszt. Auch ihr Onkel war damals nach dem Ungarnaufstand dabei, erinnert sie sich an die historisch-nachbarschaftliche Vergangenheit der beiden Länder. Nachbarschaft bedeute einfach: „Den Nachbarn kenne ich irgendwie, und bei ihm ist Hilfe.“ Das gelte auch für Nachbarländer.

Sie selbst kam 1990 aus Nagykanizsa, einer Stadt mit rund 55.000 Einwohnern, in die Steiermark und führt seitdem mit ihrem Mann eine „K. und K. Ehe“, also eine kaiserlich-königliche, meint sie mit einem kleinen Schmunzeln. 1989 machte die Lehrerin mit dem Chor ihres Gymnasiums eine Chorreise nach Fürstenfeld und Graz, wo sie den Juristen Helmut Sammer kennen und lieben lernte, der die Ungarn hier begleitete. Er hat mittlerweile Ungarisch gelernt, und ihre zwei Kinder hätten nun eben beides, eine Mutter- und eine Vatersprache.

Qualität des Lebens. „Ich habe mir damals gesagt: Wo ich mich wohlfühle, dort bleibe ich“, bringt sie das Experiment ihres Lebens hier auf einen kurzen Nenner. So ist es gekommen. Sie habe sich in der Steiermark immer aufgenommen gefühlt, vor allem in ihrer Pfarre in Feldkirchen, obwohl sie manchmal schon spürte, dass ihr als Ungarin eine gewisse Exotik anhaftete. So eine Art „Ah, die ist nicht von hier“-Effekt vielleicht, aber das sei ja verständlich. Gefestigt hat sie in ihrem Wohlgefühl auch, dass sie schon gut Deutsch konnte. Studiert hat sie in Budapest Ungarisch, Latein und Geschiche, was sie gut brauchen konnte. An der HAK Feldbach unterrichtete sie dann Ungarisch. Am Gymnasium in ihrer Heimatstadt war zwar die erste Fremdsprache Russisch, weil es aber eine Piaristenschule war, konnte sie Deutsch schon sehr früh nebenher lernen.

Mentalitätsfragen. Wie unterscheiden sich die Ungarn eigentlich von den Österreichern? Dort seien die Menschen vielleicht eine Spur offener und direkter. „Wir Ungarn sind ein rebellisches Volk“, fügt sie hinzu. Hierzulande schätzt sie vor allem auch die steirischen Volkslieder und die Chorkultur.

Vom Schulamt zum Ehrenamt. Seit 2012 ist die heuer 60-Jährige Obfrau der Vinzenzgemeinschaft in Feldkirchen, seit 2013 ist sie im Vorstand des Zentralrats der Vinzenzgemeinschaften. Für sie „eine prima Lebensschule“. Ihr freiwilliges Engagement begann sie schon im Elternverein der Schule ihrer beiden Kinder. Sie ist auch Vorstandsmitglied des KBW Steiermark und arbeitet bei der Schwerpunktreihe (kostenlose Vorträge im ganzen Land) mit. „Wer Armut sagt, muss auch Bildung sagen“ ist der Titel ihres Referates heuer. Damit bringt sie zum Ausdruck, dass sie sich gegen Armut und für Bildung jederzeit gerne einsetzt. Man müsse freilich lernen, so zu helfen, dass es nicht verletzt, dass die Leute die Hilfe auch annehmen wollen. Natürlich gebe es Menschen, die zudringlich würden und Hilfe fordern, aber die meisten verstecken sich, weil sie sich schämen.

Eine für Herbst geplante Umfrage „Wie viel ist genug“ hat zwei wichtige Aspekte: Herauszufinden, welche soziale Vernetzung in Feldkirchen gewünscht, sogar notwendig ist, und wer und in welcher Form bereit ist so mitzumachen, dass alles besser aufgeteilt werden kann und niemand zu sehr belastet wird.

Wir wollen Menschen erreichen, die sich nicht trauen, um Hilfe zu bitten. Hilfe ist nicht immer einfach. Auf die Menschen einzugehen bedeutet, sich mit allen Aspekten der Armut, die man oft nicht sieht, die versteckt ist, auseinanderzusetzen. | Foto: Neuhold
Maturatreffen. Im alten Piaristengymnasium in Nagykanizsa trifft Erika Sammer-Ernszt (in der Mitte) ihre Schülerinnen von früher. | Foto: privat
Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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