800 Jahre Diözese Graz-Seckau | Teil 12
Eine blühende Volksfrömmigkeit
Im Mittelalter, vor allem im späten, prägte sich eine blühende Volksfrömmigkeit aus. Mancher religiöse Brauch der Neuzeit – trotz der Um- und Abbrüche infolge der Reformation und des josephinischen Staatskirchentums – wurzelt in dieser Epoche.
Gemäß dem IV. Laterankonzil von 1215 sollte jeder Gläubige wenigstens einmal jährlich zur Kommunion und zur Beichte gehen. Die Beichte galt als Voraussetzung, um die Kommunion würdig zu empfangen.
Besonders die Verehrung der Eucharistie nahm im Spätmittelalter zu. Das gewandelte heilige Brot wurde in Sakramentsnischen und kunstvoll gestalteten Sakramentshäuschen aufbewahrt. Das Konzil von Trient (1545–63) verordnete die Aufbewahrung der Eucharistie in Altartabernakeln, die im Barock eine prachtvolle künstlerische Gestaltung erhielten. Die heilige Hostie wurde den Gläubigen seit dem Spätmittelalter in besonderen Gefäßen, den Monstranzen, gezeigt („Schaufrömmigkeit“). Die immense Wertschätzung der Eucharistie manifestierte sich auch in der Verwendung von höchst kostbarem Edelmetall. Besonders jene Teile der liturgischen Gefäße, die mit dem Allerheiligsten in Berührung kamen, mussten vergoldet sein. Stiftungen nahmen aufgrund existenzieller Bedrohungen wie Pest, Hunger und Kriege allerorts zu. Das „Seelgerät“ war eine Vorsorge, die dem eigenen Seelenheil galt wie auch jenem der verstorbenen Angehörigen. Die Messstiftungen konnten von Totengedenkgottesdiensten und einfachen stillen Messen bis hin zu „ewigen Jahrtagen“ reichen.
Die Bitte um den Beistand Gottes kam in den Segnungen zum Ausdruck, die es zuhauf gab: für Mensch und Tier, für Haus, Äcker und Wiesen, ja sogar für Waffen. Der von der bäuerlichen Bevölkerung so begehrte Wettersegen galt der Sorge um eine gute Ernte.
In der Frömmigkeit des Mittelalters dominierte die Passion Christi mit Darstellungen des Schmerzensmannes oder des Hauptes Christi, mit Kruzifixen und Vesperbildern (Pietà). Die Liturgie der Passionswoche wurde reichlich dramaturgisch ausgestaltet (mit langen Predigten, dem Nacherzählen der Passion, dem Aufrichten des Heiligen Grabes usw.). Die heutigen Passionsspiele gehen auf die mittelalterliche Karfreitagsliturgie zurück.
Die meisten Kalvarienberganlagen in der Steiermark wurden in der Barockzeit errichtet. Gefördert von den Franziskanern, entstanden die 14 Kreuzwegstationen, die nun auch in den Kirchen auf Bildern dargestellt wurden.
Infolge der Katholischen Reform und des Wirkens der Jesuiten und Kapuziner stieg die Kommunikantenzahl. Bruderschaften wie Sa- kraments- und Rosenkranzfraternitäten lebten wieder auf. Kaiser Joseph II. (1780–90) schränkte die überlieferten kirchlich-religiösen Bräuche stark ein, auch diejenigen in der Karwoche und zu Ostern. Er erließ das Verbot, ein Heiliges Grab zu errichten, eine Weihnachtskrippe aufzustellen, die Mitternachtsmette abzuhalten. Medaillen und Rosenkränze wurden untersagt, Heiligen- und Marienstatuen entkleidet, Wallfahrten und Prozessionen eingeschränkt. Die josephinischen Anordnungen zur Totenbestattung, wie etwa der Klappsarg, empörten das Volk so sehr, dass sie alsbald wieder zurückgenommen werden mussten.
Mit dem Wiederaufleben des religiösen Brauchtums und alter Frömmigkeitsformen im 19. Jahrhundert erlebte auch das Pilgerwesen einen neuen Aufschwung. Dank neuer Möglichkeiten, die Eisenbahnen und der Ausbau der Schifffahrtsverbindungen boten, wurden Fernwallfahrten erleichtert. Dies betraf Wallfahrtsziele wie Jerusalem, Rom, Santiago de Compostela und Lourdes (Fatima kam im 20. Jahrhundert dazu). Die Grazer Lehrerin Maria Schuber (1799–1881) etwa brach 1847 allein und zu Fuß zu einer Pilgerreise über Rom nach Jerusalem auf und berichtete darüber in einem Buch mit mehr als 500 Seiten. Der dominikanische Volksprediger P. Hyazinth Schönberger (1818–87) aus Fladnitz im Raabtal war ein eifriger Pilger und inniger Marienverehrer, pilgerte nach Rom und Jerusalem, führte Volksmissionen in der Steiermark durch und gab das weitverbreitete Wallfahrtsliederbuch „Katholisches Volks-Gesangbuch“ mit heraus. Ein weitverzweigtes Vereinswesen, das sich bei den kirchlichen Festen und Prozessionen mit seinen kunstvoll gestickten Fahnen zeigte, trug zur Förderung von Brauchtum und Volksfrömmigkeit bei.
So festigte sich ein einheitlich ausgerichteter „Volkskatholizismus“, der die sogenannte „Pianische Epoche“ von Pius IX. (1846–78) bis Pius XII. (1939–58) kennzeichnete.
Michaela Sohn-Kronthaler
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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