Gott in Frankreich | Teil 03
Dieses Gesetz ist unser Schatz

„Unvermischt“ stehen in Frankreich das staatliche und religiöse (Gedanken-)Gebäude nebeneinander. | Foto: Fotolia; Breser
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  • „Unvermischt“ stehen in Frankreich das staatliche und religiöse (Gedanken-)Gebäude nebeneinander.
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Jedesmal, wenn Asmaa ihren Schleier vor dem Schuleingang abnimmt, muss sie sich überwinden: „Psychologisch gesehen ist das sehr schwer“, sagt sie und benennt die französische Auseinandersetzung, welche vor drei Jahren als „Kopftuchstreit“ die europäische Presse füllte. Noch immer schwelt der Konflikt.

 

Noch aktuell?
Bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts ist die Trennung von Staat und Kirche (Laizismus) ein Kernprinzip der Französischen Republik. Neuerdings haben politische und intellektuelle Kreise wieder eine vorsichtige Diskussion begonnen. Man fragt sich, ob das Gesetz noch zeitgemäß sei oder zumindest neu definiert und begründet werden müsse. Frankreich habe sich hinsichtlich seiner Bevölkerungszusammensetzung und der religiösen Praxis stark verändert, welche auch zunehmend in den öffentlichen Bereich hineinwirke, meint etwa der konservative Präsidentschaftskandidat und Ex-Innenminister Nicolas Sarkozy. Er ist überzeugt, dass die bisherige Regelung aufgrund dieser neuen Probleme Änderungen brauche, und hat vor eineinhalb Jahren eine Kommission eingesetzt, um über das Trennungsgesetz nachzudenken.

 

Religion als Störfaktor?
Die katholische Kirche Frankreichs steht Änderungen skeptisch gegenüber, weil sie Konflikte befürchtet. In einer Erklärung des französischen Episkopats fordert man auf, das mühsam gefundene Gleichgewicht nicht in Frage zu stellen. Aber auch anderswo herrscht Angst, dass eine Debatte über den Laizismus in Frankreich zu einer unkalkulierbaren Gefahr für den sozialen Zusammenhalt und die politische Stabilität des Landes führen könne.

„Das ist wie in einer Familie: Man muss lernen, gemeinsam zu leben, ohne die Traditionen in Unordung zu bringen“, sagte kürzlich der aus dem Rennen um das französische Präsidentschaftsamt ausgeschiedene Zentrumspolitiker François Bayrou. Er sprach sich gegen Vorschläge aus, nichtchristliche Festtage zu Feiertagen zu erheben. Die christlichen will er aber auch nicht abschaffen: „Weil sie zum Kulturerbe Frankreichs gehören.“ Von einer Vermischung von Religion und Staat hält der praktizierende Katholik aber nichts: „Dieses Gesetz ist unser Schatz“, sagt er und benennt den Laizismus als eines der zentralen Fundamente der Französischen Republik: „Ich verteidige den Laizismus als Bürger, aber auch als Gläubiger.“ Nichts Ungewöhnliches in Frankreich.

Ausnahmen
Die Strenge dieses französischen Ideals zeigt sich unter anderem in öffentlichen Schulen: Es ist verboten, nach dem Religionsbekenntnis zu fragen. Amtliche Statistiken zur Konfessionszugehörigkeit der Bevölkerung existieren nicht. Ausnahmen von einer strikten Anwendung des Gesetzes bestehen aber: Obwohl man finanzielle Zuschüsse an Religionsgemeinschaften nicht kennt, können sich die rund 10.000 kirchlichen Schulen auf staatliche Subventionen verlassen. Das Schulrecht sieht zusätzlich zum Sonntag einen schulfreien Tag vor, um Kindern den Besuch des Religionsunterrichts zu ermöglichen.

Seelsorgliche Initiativen in Bildungseinrichtungen, Gefängnissen, Krankenhäusern und in der Armee können von staatlichen Verwaltungen finanziert werden. In öffentlichen Institutionen berücksichtigt man religiöse Ernährungsvorschriften, und auf dem Programm staatlicher Fernseh- und Radiosender stehen mitunter auch Gottesdienste und Andachten.

 

„Unvermischt“ stehen in Frankreich das staatliche und religiöse (Gedanken-)Gebäude nebeneinander. | Foto: Fotolia; Breser
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SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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