Christentum - Ein Reiseführer | Etappe 040
Die Wunder Jesu

Die Auferweckung von Lazarus, gemalt von Aelbert van Ouwater, 15. Jahrhundert. | Foto: wmc
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Unter einem Wunder versteht man ein Zeichen, das Gott gibt, um seine Größe zu offenbaren.

Zeichen von Gottes Kraft

Während die Bibel ihr Verständnis von Wundern relativ weit fasst und etwa in der Existenz der Schöpfung das Wunder schlechthin erkennt, ist unser modernes Verständnis von Wundern deutlich enger. Es konzentriert sich fast ausschließlich auf Sachverhalte, die ungewöhnlich anmuten und gegebenenfalls sogar Naturgesetzen widersprechen.[/p]

Die Wundertätigkeit Jesu – vielfach bezeugt
In den Evangelien begegnen uns zahlreiche Wundererzählungen. Wendet man sich dem Markusevangelium als dem ältesten Evangelium zu, so stellt man fest, dass die in ihm enthaltenen Wunderberichte etwa ein Drittel des Textes ausmachen. Wunder spielen auch in den übrigen Evangelien eine große Rolle. Insgesamt überliefern die vier Evangelien 41 Wunder Jesu. Diese beziehen sich zum Großteil auf Heilungen und Exorzismen. Daneben ist von drei Totenerweckungen die Rede (Tochter des Jairus: Mk 5,22–24.35–43; Jüngling von Nain: Lk 7,11–17; Lazarus: Joh 11,1–44). Hinzu kommen verschiedene Naturwunder wie die Stillung eines Sturmes (Mk 4,35–41) oder der Wandel auf dem See (Mk 6,45–52) sowie Speisewunder wie die Brotvermehrung (Mk 6,32–44; Mk 8,1–10; Joh 6,1–15) oder die Verwandlung von Wasser zu Wein (Joh 2,1–11).

Skeptische Nachfragen
Die im Neuen Testament bezeugten Wunder Jesu galten Christen über viele Jahrhunderte hin als selbstverständlich. Da man während der Epoche der Aufklärung in besonderer Weise auf das Vermögen des Verstandes setzte, entwickelte sich eine allgemeine Skepsis gegenüber allen Phänomenen, die die Reichweite des menschlichen Verstandes überstiegen. Während man solche Phänomene heute als transrational bezeichnet und damit festhält, dass sie über das menschliche Denkvermögen hinausgehen, sprach man in der Aufklärung von „irrationalen“ Phänomenen. Mit dieser Bezeichnung floss eine negative Bewertung ein, die an mangelnde Intellektualität ebenso denken ließ wie an Täuschung oder Manipulation.

Die ausgesprochen kritische Perspektive, unter der die Aufklärung das Phänomen der Wunder betrachtete, ist zumindest teilweise verständlich. Der Blick in die Geschichte zeigt, dass man in früheren Zeiten oft schwierige, aber durchaus erklärbare Zusammenhänge vorschnell in den Bereich des Übernatürlichen abgeschoben hat. Die unbegründete Annahme eines Wunders blockierte damit die rationale Auseinandersetzung mit natürlichen Phänomenen und lieferte zudem eine Ausrede, die stets zur Hand war, um die eigene intellektuelle Trägheit zu verdecken. Hinzu kam, dass in einzelnen Fällen, die man in den Bereich des Wunders verwies, sogar betrügerische Absichten im Spiel waren. Derartige Erfahrungen machen darauf aufmerksam, dass eine gesunde Skepsis gegenüber Wundern grundsätzlich angebracht ist, sie reichen jedoch nicht hin, um die Möglichkeit von Wundern generell zu verneinen.

Die Theologie des 20. Jahrhunderts hat sich zum Teil sehr kritisch mit den Wundern Jesu auseinandergesetzt und dabei nicht selten versucht, sämtliche Wunder in natürliche Zusammenhänge hinein aufzulösen. So vermutete man etwa im Blick auf die Heilungen Jesu, dass es sich bei ihnen um Heilverfahren durch Suggestion gehandelt habe. Wo diese Erklärung sich als abwegig erwies, empfahl man, das im Evangelium Geschilderte nicht wörtlich zu nehmen, sondern es lediglich im übertragenen Sinn zu verstehen. Auf diese Weise kam es zu Auslegungen, die sich zum Teil sehr weit von der neutestamentlichen Textbasis entfernten, eine Verfahrensweise, die grundsätzlich bedenklich ist.

Die unbefangen positive Sicht auf Wunder kam mit der Aufklärung an ihr Ende.

Regina Radlbeck-Ossmann

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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