Mit Tieren leben | Teil 01
Die Katze predigt im Klostergarten
Als Bub, so erzählt der geborene Osttiroler P. Oliver Ruggenthaler, hatte er immer mehrere Katzen. Das fiel ihm spontan ein, als eine Journalistin ihn am Ende eines „Weihnachtsinterviews“ nach seinem Wunsch ans Christkind fragte. „Vermutlich“, so P. Oliver, „hat sie sich gedacht, dass ich mir als Franziskaner so etwas ,Großes‘ wie den Weltfrieden oder zumindest den Frieden im Heiligen Land wünsche. Aber irgendwie war mir das in dem Moment zu klischeehaft. Und so kam ich auf die Katze, die ich gerne hätte.“
P. Oliver war überrascht von den vielen Reaktionen. Nicht nur Katzen wurden ihm angeboten, auch Futter stand bald vor der Klostertür, und in vielen Packerln waren „Katzen“ versteckt, vom Briefbeschwerer bis zum Kalender. Nur der P. Guardian ließ sich nicht erweichen. Und so lag letztlich trotz des „Maunzens“ einiger Mitbrüder nichts Lebendiges unter dem Christbaum. Und das ausgerechnet bei den Brüdern des heiligen Franz, der weithin als „Patron der Tiere“ gilt.
„Franziskus-Logo“. Doch P. Oliver hatte Verständnis für die Entscheidung seines Hausoberen – denn gerade weil Franziskus einen so hohen Respekt vor seinen Mitgeschöpfen, den Tieren, hatte, war es den Franziskanern die längste Zeit verboten, Haustiere zu haben. „Franz wollte, dass wir frei sind für unsere Schwestern und Brüder; Haustiere aber binden, wenn man sich wirklich um sie kümmert, wie man sollte.“ Und noch einmal auf den heiligen Franz zurückkommend meint er: „Seine umfassende Sicht der Natur und allen Lebens als Schöpfung Gottes löste in ihm einen tiefen, ja liebenden Respekt vor jeder Schwester und jedem Bruder aus, aber auch vor deren Mitwelt, den Tieren und der Natur. Er sah auch, wie Mensch, Tier und Natur in vielfältiger Weise Opfer von Macht und Geld wurden. Etwas, was heute nicht anders ist.“ Deshalb, so P. Oliver, greife es zu kurz, den heiligen Franz als „netten Tierpatron“ abzutun. Auf seine Fahne passe viel besser das Logo „Gerechtigkeit, Friede und Bewahrung der Schöpfung“ in einem umfassenden Sinn. „Denn dort, wo die Natur ausgebeutet wird, geschieht häufig auch Menschen Unrecht, und wo Tiere in Käfigen gemästet werden, kann ein Wirtschaftssystem nicht wirklich gerecht sein.“
Auftrag. Bei den Franziskanern habe dieser „alte Auftrag“ in den vergangenen Jahren wieder an Bedeutung gewonnen, sagt P. Oliver. „So etwa setzen wir zunehmend auf alternative Energieformen oder schenken unseren Klostergärten wieder mehr Aufmerksamkeit. Da haben wir auch schon manches ,lukrative Nutzungsangebot‘ in Salzburg oder Graz ausgeschlagen, obwohl wir das Geld für die fälligen Renovierungen gut brauchen könnten.“
Katzenpredigt. Manchmal sind es auch solche Gedanken, denen der junge P. Provinzial nachhängt, wenn er abends in der Laube des kleinen Salzburger Klostergartens sitzt. Auf seinem Schoß oder neben ihm auf der Bank haben sich Minka und (Schnee-)Flocke breitgemacht. „Als ich im Mai 2011 überraschend zum Provinzial gewählt worden war, war das erste Katzl schon da, als ich vom Ordenskapitel in Pupping wieder ins Kloster zurückkam. Der Pater Guardian hatte es von seiner Schwester geholt, vermutlich um mir den Einstand im neuen Amt etwas zu versüßen. Bald darauf kam als Spielgefährte noch Flocke zu uns.“ Das mit dem „Versüßen“ dürfe man allerdings nicht wörtlich nehmen, meint P. Oliver lachend. „Denn seit wir die Katzen haben, bekomme ich von den Leuten im Beichtstuhl seltener als früher ein Stück Schokolade zugesteckt. Dafür gibt es immer wieder einmal Katzenfutter.“ Böse ist er deswegen Minka und Flocke nicht. Zu oft haben sie ihm mit ihrem unaufgeregten Dasein geholfen, Stress, Sorgen und Ärger abzubauen. „Sie lehren mich, wirklich im Augenblick zu leben – mit ihrer hohen Konzentration, wenn sie auf eine Maus lauern, oder ihrem völlig gelassenen Dasein, schnurrende Experten des Relaxens. Sie sind mir eine immer neue Predigt des Evangeliums, in dem uns Christus warnt, in unseren Sorgen und Besorgungen unterzugehen.“
Türöffner. Das Revier von Minka und Flocke sind der Klostergarten und die Wirtschaftsgebäude. Ins Kloster dürfen sie nur bei hohen Festtagen. „Sie sind aber nicht nur bei unseren Kirchenchormitgliedern, auf deren feine Happen sie jeden Sonntag pünktlich lauern, bestens bekannt, sondern auch in der Umgebung. Eine besucht besonders gerne die Philosophische Fakultät in der Nähe, die andere schätzt das Café Tomaselli“, erzählt P. Oliver. Sie seien, so meint er, so etwas wie pastorale Mitarbeiter, denn über die Katzen haben sich schon viele Gespräche ergeben. „Oft machen Passanten einen Blick in unseren Klostergarten, sehen die Katzen und sprechen einen Mitbruder an. Bei anderen Menschen habe ich den Eindruck, dass sie mich und andere Brüder etwas anders sehen, seit sie um unsere Katzen wissen. Wir sind für sie nahbarer, menschlicher, ansprechbarer geworden.“
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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