Christentum - Ein Reiseführer | Etappe 079
Die Ethik der Bibel

Die Bergpredigt, Fresco im Markuskloster in Florenz von Fra Angelico (1445). | Foto: wmc
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Gebote für ein glückliches Leben

Der sogenannte Dekalog ist uns in zwei Fassungen überliefert (Ex 20,2–17; Dtn 5,6–21). Die erste Tafel mit den Geboten eins bis drei bezieht sich auf das Verhältnis des Menschen zu Gott und schützt den Monotheismus, die zweite Tafel stellt die Normen für das Zusammenleben der Menschen auf. Das Besondere dieser Gebote ist die Tatsache, dass der Glaube an Gott und das Menschenwohl eine untrennbare Einheit bilden, große Teile der Ethik also im Willen Gottes selbst begründet sind. Der Bundesschluss mit Gott soll dem Menschen Zusage und Kraft zu künftigem richtigem Handeln geben.

Das Buch Deuteronomium, das fünfte der Bücher Mose, stellt die Gebote des Dekalogs in weitere Kontexte und regelt bis ins Detail hinein Verpflichtungen des öffentlichen und privaten Lebens.

Die ethischen Maximen des Alten Testaments sind vielschichtig und können nicht einfach in unsere Zeit übertragen werden. Fälschlicherweise werden häufig gewalttätige Bilder beschworen. Die Rede „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ (Ex 21,24) wird bemüht, um ethisches Handeln zu rechtfertigen, das Gleiches mit Gleichem vergilt. Dabei handelt es sich nicht um einen Vergeltungsaufruf, sondern um einen Rechtssatz, der zur Mäßigung und Begrenzung einlädt.

Es sind die Propheten, deren Einspruch die Einheit von Gottes- und Nächstenliebe immer dann einfordert, wenn der Kult erstarrt und die soziale Verpflichtung des Glaubens vernachlässigt wird. Mit harten Provokationen klagt Gott etwa beim Propheten Amos an, dass die „Schwachen verfolgt und die Armen unterdrückt werden“.

Die Ethik Jesu

Die Ethik Jesu speist sich einerseits aus dem alttestamentlichen Gesetz, das er nicht aufheben, sondern erfüllen will (Mt 5,17). Dies gilt insbesondere für die Forderung des Dekalogs, für die Liebe zum Nächsten sowie für die Goldene Regel: „Alles, was ihr also von den anderen erwartet, das tut auch ihnen!“ (Mt 7,12)

In einigen zentralen Punkten hebt sich Jesus jedoch von der Ethik des AT ab: So stellt er den Tempelkult in Frage und relativiert die kultischen Reinheitsvorschriften: „Nicht, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein“ (Mk 7,15). Auch über die Sabbatvorschriften setzt sich Jesus hinweg, wenn das Wohl des Menschen bedroht ist. Am deutlichsten kann man das ethische Programm Jesu jedoch in den Seligpreisungen der Bergpredigt lesen (Mt 5–7).

Der Hügel am Ufer des Sees Gennesaret wird auch „Sinai des Neuen Testaments“ genannt, weil die Bergpredigt ebenso zentral und bedeutsam ist, wie es die Zehn Gebote am Berg Horeb in der Sinaiwüste waren.

Weiters finden sich in der Bergpredigt zahlreiche ethische Anweisungen, die uns in ihrer Radikalität bis heute aufwühlen. All diese Postulate kulminieren in der Forderung nach der Feindesliebe, mit der Jesus die Überwindung aller Gegensätze anstreben will.

Die ethischen Weisungen des Neuen Testaments sind kein starres Gesetz. Sie wollen Weisungen, Modelle, Perspektiven für gelingendes Leben sein. Um sie ins Heute umzusetzen, müssen sie vom Geist der Botschaft her verstanden werden. Barmherzigkeit, Vertrauen, hilfsbereite Solidarität, Vergebung und Gewaltlosigkeit, Treue in der Beziehung, Milderung sozialer Not und anderes sind bleibende Konstanten, die menschliches Zusammenleben unter dem Anspruch Jesu begründen und möglich machen.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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