Heute von Gott erzählen | Teil 9
Das Schweigen der Glaubenden
Der Begriff des Geheimnisses sollte nicht zur Ausrede werden, nicht mehr über Gott nachzudenken.
Gott als Geheimnis
Gläubige Menschen begründen ihr Schweigen über Gott nicht selten mit dem Hinweis, dass Gott Geheimnis – Mysterium – ist. Geheimnis – das ist im Blick auf Gott tatsächlich ein Schlüsselbegriff. Karl Rahner, der eine stark philosophisch geprägte Theologie vertreten hat, rückt ihn in die Mitte seiner Ausführungen über Gott – er spricht vom ,heiligen Geheimnis‘. Gott als Geheimnis schließt zwar gründliches Fragen und Nachdenken nicht aus, aber am Ende verschwindet das Geheimnis nicht – Gott bleibt Geheimnis. Henri de Lubac hat dafür ein einprägsames Bild gefunden: Wer Gott verstehen will, der gleicht „dem Schwimmer, der sich, um sich über Wasser zu halten, im Meer voranbewegt und mit jedem Zug einer neuen Welle zu begegnen hat. Unaufhörlich stößt er die sich immer neu bildenden Vorstellungen zur Seite, wobei er wohl weiß, dass sie ihn tragen, dass aber bei ihnen zu verweilen sein Untergang wäre.“
Der Begriff des Geheimnisses steht dafür, dass Gott immer noch größer ist als alle Begriffe, auf die wir nicht verzichten können, die wir aber als unzureichend zurücklassen müssen. Gott als Geheimnis schließt das Denken nicht aus, ja es fordert es sogar in besonderer Weise heraus. Auf jeden Fall darf der Begriff des Geheimnisses nicht zur Ausrede werden, sich die Mühe des Nachdenkens zu ersparen oder sich gegen Anfragen zu immunisieren.
Nicht Absage – Vertiefung
Nicht reden und spekulieren, sondern handeln, das sei – so könnten es kritische Geister formulieren – der Auftrag, der nicht nur mit dem jüdisch-christlichen Glauben an Gott verbunden ist, zumal in einer Welt voller brennender Probleme. Dass es Jesus im Evangelium auf das Handeln ankommt, wird man nicht leugnen können. Aber man wird auch fragen dürfen, ja müssen, ob dem Engagement für die Armen, für Gerechtigkeit und Frieden und für einen achtsamen Umgang mit den natürlichen Ressourcen ein Dienst erwiesen wird, wenn Gott aus der Welt der Sprache und des Bewusstseins ins Schweigen verschwindet. Es spricht einiges dafür, dass es wichtiger ist, über die letzten Dinge zu stottern, als über vorletzte Dinge exakt zu sprechen.
Thomas von Aquin, der gegen Ende seines Lebens ebenso rätselhaft wie beeindruckend verstummt ist, hat sich auf dieses Exerzitium eingelassen – ein Leben lang. Sein Schweigen und das Schweigen aller Glaubenden vor der Göttlichkeit Gottes, seiner „heiligen Unbegreiflichkeit“, sind nicht Resignation oder Abbruch, sondern letzte Vertiefung des Wissens um Gottes Göttlichkeit.
Gläubiges, kämpferisches, namenloses Schweigen
Thomas von Aquin, einer der Großen in der Geschichte der Theologie, legt nach einer geheimnisvollen Erfahrung mitten in seiner Arbeit an der Summa theologiae den Schreibgriffel nieder und ist durch nichts zu bewegen, sein Werk zu vollenden. Seine Erklärung lautet: Angesichts dessen, was er erfahren habe, erscheint ihm alles, was er geschrieben hat, wie Stroh.
Es gibt auch andere Motive, über Gott zu schweigen. Für die einen ist er schlicht nicht der Rede wert; andere wissen nicht, wie sie über ihn sprechen könnten; wieder anderen ist Gott in einer säkularen Öffentlichkeit peinlich, oder sie beugen sich einer tatsächlichen oder vermuteten political correctness. Aber auch Resignation oder Verbitterung, die vielleicht gar keinen direkten Bezug zu Gott haben, können Grund für das Schweigen über Gott sein. Und nicht zuletzt
gibt es ein kämpferisches Schweigen über Gott – er dürfe nur im privaten Bereich, aber nicht in der Öffentlichkeit Thema sein.
Der Theologe Heinz Schürmann hat das Schweigen über Gott, das er als Professor in der ehemaligen DDR erlebt hat, als eine markante Herausforderung für die Zukunft des Glaubens an Gott gesehen. Er spricht von einer „dunklen Spiritualität“, die dadurch gekennzeichnet sei, dass „sich das Schweigen immer mehr ausbreiten“ werde.
Aber gläubiges Schweigen kann aus der Mitte des Glaubens kommen, im namenlosen Staunen angesichts einer Erfahrung mit Gott, dem das eigene Sprachvermögen nicht gewachsen zu sein scheint.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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