SONNTAG. Der Tag zum Leben | Teil 23
Das ist keine Bagatelle
Unersetzlich
„Wir können nicht leben, ohne den Tag des Herrn zu feiern.“ Dieses Wort aus den Anfängen der Kirche macht deutlich: Wir leben als Christen nicht von der Luft und nicht aus uns selbst, sondern von Jesus Christus. Ihm wissen wir uns verpflichtet als unserem Bruder und Herrn. Wir versammeln uns Sonntag für Sonntag, um in Treue zu seinem Vermächtnis und Auftrag seinen Tod zu verkünden und seine Auferstehung zu preisen, bis er kommt in Herrlichkeit.
Die Eucharistie ist für den Sonntag grundlegend. „Herrentag“ und „Herrenmahl“ gehören zusammen. Christus ruft uns an Seinem Tag an Seinen Tisch als Seine Gemeinde: „Empfangt, was ihr seid: Leib Christi, damit ihr werdet, was ihr empfangt: Leib Christi“ (Augustinus). Die Kirche als Leib Christi lebt vom Leib Christi der Eucharistie. Darum gibt es zur Eucharistiefeier keine Alternative, sie ist durch nichts zu ersetzen. Dass wir Eucharistie feiern können, hat Christus das Leben gekostet. Was lassen wir sie uns kosten? Wer dem Gottesdienst am „Herrentag“ fernbleibt, bleibt Christus diese Antwort schuldig und entzieht sich der Gemeinde. Das ist keine Bagatelle.
Mangel an Priestern
Die Kirche ist ihrem Wesen nach Eucharistie. Schon jetzt aber ist es für viele Gemeinden nicht mehr möglich, sie jeden Sonntag zu feiern. Das ist nicht irgendein Problem neben anderen, hier geht es an den Nerv. Wenn die Eucharistie nicht mehr jeden Sonntag gefeiert werden kann, ist das ein akuter kirchlicher Notstand.
Wir haben zu wenige Priester. Dieser Mangel trifft uns am spürbarsten dort, wo wir am tiefsten katholische Gemeinde sind: in der Feier der Eucharistie.
Nun ist die Feier der Eucharistie an das Amt gebunden. Das ist gut so und unaufgebbar. Aber genau an dieser Stelle muss ich darum abwägen: Was ist wichtiger, dass Gemeinden Eucharistie feiern können oder dass alle Priester zum Zölibat verpflichtet werden? Auch im Blick auf die Geschichte der Kirche komme ich zu dem Schluss, dass die Eucharistie nicht den Zugangswegen zum Priestertum geopfert werden darf, sie ist vorrangig.
Wir dürfen auch nicht dahin kommen, dass der einzelne Priester für immer mehr Messen verantwortlich ist. Die Eucharistie-feier muss für ihn ein Höhepunkt bleiben. Einmaliges kann er nicht beliebig oft vollziehen. Drängt man ihn dazu, dann wird das „Aller-Heiligste“ nur allzu schnell in Zeitdruck und Routine untergehen.
Wir dienen dem besonderen Wert der Eucharistiefeier nicht, wenn wir sie vervielfachen. Seit der Mitte unseres Jahrhunderts ist es mit der Einführung der Vor- abendmesse und den vielen „Sondergottesdiensten“ üblich geworden, möglichst allen Wünschen entgegenzukommen. Ob diese Angebotsmentalität gut ist? Die Sonntagsmesse ist kein Service, der sich nach den Wünschen bestimmter Zielgruppen zu richten hat. Die Gemeinschaft der Kirche nimmt uns in die Pflicht.
Darum sollte die eine Eucharistie in der Gemeinde möglichst nicht in viele Messen aufgesplittert werden. Dann erkennt man nicht mehr deutlich, dass es um den einen Leib Christi geht. Eine gemeinsame Eucharistiefeier in jeder Gemeinde – das entspricht der theologischen Erkenntnis und der christlichen Tradition. Es ist dringend notwendig, die Zahl der Gottesdienste zu überprüfen; weniger kann oft mehr sein. Auch hier ist überpfarrliche Kooperation das Gebot der Stunde und ein Zeichen solidarischer Verantwortung.
„Einfliegen?“
Wie oft habe ich das bei der Visitation erlebt: Das Gespräch mit den Pfarrgremien läuft auf die Frage hinaus: „Bekommen wir noch einen eigenen Pfarrer wieder?“ „Es tut mir leid“, antworte ich, „das kann ich Ihnen nicht versprechen.“ Große Betroffenheit! „Dann machen wir’s selbst“, sagt jemand.
Ich freue mich über die Reaktion. Ich denke: Die Leute haben verstanden, worum es geht. Sie wissen, dass sie selbst Kirche sind. – Das Gespräch geht weiter: „Uns ist ein Wortgottesdienst lieber als eine Messe mit einem eingeflogenen Priester.“ Ich stutze. Das Wort zu Anfang geht mir wieder durch den Kopf: „Dann machen wir’s selbst.“ Was ist, frage ich mich, wenn aus der erfreulichen Selbstständigkeit eine Verselbstständigung wird? Gemeinde als Selbstversorger: „Das machen wir schon…“ Was machen wir denn? Die Gemeinde verdankt sich nicht sich selbst. Sie handelt nicht auf eigene Rechnung, sondern im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Damit das lebendig bleibt, feiern wir die Sakramente, darum gibt es das Amt und vor allem die Eucharistie.
Ich will nicht verkennen, dass man sich vielerorts redlich bemüht, Vertretungen zu bekommen. Das Herumtelefonieren hat Grenzen. Andererseits stelle ich zunehmend fest, dass Gemeinden sich abschotten. Schnell kann das berechtigte Selbstbewusstsein der Gemeinde zu einer Gemeindeideologie führen, die schließlich nicht mehr katholisch ist. Es gehört zur Grundvoraussetzung einer katholischen Gemeinde, dass sie Kirche ist, also in Gemeinschaft steht mit der Diözesankirche und der durch Rom verkörperten Weltkirche. Die Eucharistiefeier ist das Band der Einheit, sie ist die Feier der Kirche.
„Darum kommen wir vor dein Angesicht und feiern in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche den ersten Tag der Woche…“ (2. und 3. Hochgebet). Unter uns leben viele Christen aus anderen Nationen. Ist es da eine Zumutung, wenn auch Priester aus diesen Ländern bei uns Dienst tun? Ich weiß, dass wir auf diesem Weg das Problem des Priestermangels nicht lösen werden. Aber wir haben die Chance, weniger provinziell und mehr Weltkirche zu werden.
Franz Kamphaus, Bischof von Limburg
in: F. Kamphaus, Tut dies zu meinem Gedächtnis, Freiburg (Herder) 1999
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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