Einfach Advent. Adventserie 2024
Dämmerung aushalten
Es wird scho glei dumpa.
"Es wird scho glei dumpa" singen wir in einem Weihnachtslied. Das „Dumpa“-Werden, also das Dunkel-Werden, den Moment der Dämmerung, bevor die Nacht kommt, kennen wir heute so überhaupt nicht mehr. Das elektrische Licht brennt in unseren Wohnungen und Büros in der sogenannten dunklen Jahreszeit oft den ganzen Tag über. Wir registrieren kaum die frühe Dämmerung an den Nachmittagen des Advents und wollen uns auch gar nicht der Dunkelheit aussetzen.
Wir sind an Dunkelheit nicht mehr gewöhnt. Wir leben in einer auch nachts hell erleuchteten Welt. Überall finden wir Straßenbeleuchtung, Schaufensterbeleuchtung, ja, selbst Bürogebäude sind die ganze Nacht beleuchtet. In privaten Gärten werden Wege angeleuchtet, wenn wir nach Hause kommen, geht der Bewegungsmelder an, und im Advent entkommen wir nicht den grellen Lichterketten und den glitzernden Rentieren. So entsteht „Lichtverschmutzung“ – das Phänomen, dass unser Nachthimmel künstlich aufgehellt wird. Die Folge davon ist, dass wir an vielen Orten nachts vor lauter Helligkeit kaum noch Sterne sehen können.
Dunkelheit ist also passé. Weder am Sternenhimmel noch in unseren Wohnungen lassen wir es zu, dass es „dumpa“ wird. Das ist schade, denn im Dämmrigen kommen unsere Sinne leichter zur Ruhe und wir werden im wahrsten Sinne des Wortes besinnlich. Wir besinnen uns, das heißt, wir fokussieren uns auf das Wesentliche. So, wie wir die Sterne nur in der Dunkelheit erkennen, so entsteht Besinnlichkeit auch erst, wenn die äußeren Reize zurücktreten.
Eine Sache, die in vielen Familien früher dem Advent vorbehalten war, war das Vorlesen. Jemandem eine Geschichte vorzulesen bedeutet, dass man sich ihm widmet, man einander wichtig ist. Wenn sich Mama, Papa, Oma oder Opa Zeit nehmen, um vorzulesen, dann ist das ein Kontrastprogramm zu unserer hektischen Zeit. Denn durch das Zuhören entsteht fokussierte Aufmerksamkeit und innere Ruhe. Und wer zuhören kann, nicht nur im Advent, der hat etwas Wichtiges fürs ganze Leben gelernt.
Leseprobe aus:
Weihnachten, wie's früher war.
Inge Friedl
Das Volk, das in der Finsternis lebt, sieht ein großes Licht;
hell strahlt es auf über denen, die ohne Hoffnung sind.
Jesaja 9,1
Advent und ich
Das Gedicht Markt und Straßen steh’n verlassen von Joseph v. Eichendorff hat mich schon als Kind sehr berührt, und es ist noch immer mein liebstes Weihnachtsgedicht. Es trifft mit seinem Text meine Sehnsucht nach Licht und Dunkel, nach Wärme und Kälte, nach Stille und Klang, nach Einsamkeit und Gemeinschaft. Im Advent spüre ich in vielen Bereichen die Polarität noch stärker als sonst. Die eine Seite schenkt der anderen Kraft. Ohne Kälte wäre die Wärme schal und ohne das Dunkel könnten wir die Sterne nicht sehen.
- Heute lasse ich die Dämmerung auf mich wirken und spüre nach, welches Dunkel in mir gerade einen Stern brauchen könnte … und dann zünde ich ein Licht an.
Ingrid Hohl
ist Mitarbeiterin beim SONNTAGSBLATT und engagiert sich ehrenamtlich in der Pfarre Graz-St. Peter.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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