Christentum - Ein Reiseführer | Etappe 019
Christentum und andere Religionen

Kardinal Franz König († 2004) hat sich stark für den Dialog mit Anders- und Nichtglaubenden eingesetzt. | Foto: KNA
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Im Dialog

Von daher kann es aus christlicher Sicht keine Gottesbegegnung geben, die weiter reicht oder tiefer geht als die, die Jesus anbietet. Vor diesem Hintergrund versteht das Christentum sich als die eine, wahre Religion. Diesen Anspruch müssen Christen seit ihren Anfängen vor den Vertretern anderer Religionen rechtfertigen. Die Apostelgeschichte berichtet von einer Szene, in der Petrus und Johannes sich nach ihrer Pfingstpredigt vor den Vertretern des Hohen Rates, einem jüdischen Leitungsgremium, zu verantworten haben. Dort heißt es: „Er (Jesus) ist der Stein, der von euch Bauleuten verworfen wurde, der aber zum Eckstein geworden ist. Und in keinem anderen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen.“ (Apg 4,11f.)

Gleichzeitig gibt es neben dem Christentum andere Religionen, die sich ebenso als die eine, wahre Religion verstehen. Das ist weder im Falle des Christentums noch in dem der übrigen Religionen Ausdruck von Überheblichkeit, es folgt vielmehr notwendig aus dem Anspruch jeder Religion. Eine Religion, die diesen Anspruch nicht erhöbe, würde sich selbst aufheben.

Die „wahre Religion“
Im Glauben entscheidet sich der Mensch. Es steht hier aber nicht etwa eine Einzelentscheidung von begrenzter Bedeutung an, sondern vielmehr eine große, das ganze Leben durchdringende Grundentscheidung. Aufgrund der enormen Auswirkungen, die eine solche Grundentscheidung hat, ist der Anspruch, mit dem eine Religion auftritt, nur zu rechtfertigen, wenn sie für sich selbst sicher ist, das absolut Gute, nämlich Gott, zu kennen und darüber hinaus zu wissen, wie man ihm begegnen und aus der Verbundenheit mit ihm leben kann.

Damit bleiben für eine Religion, die verantwortlich auftritt, nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie ist sich sicher, die eine, wahre Religion zu sein, dann ist sie aus moralischen Gründen verpflichtet, die ihr bekannte Wahrheit an andere weiterzugeben, oder sie ist sich über ihren eigenen Wert unsicher, dann aber hat sie um der Menschen und um der Verantwortung willen zu schweigen.

Wenngleich das Christentum den Anspruch erhebt, selbst die eine, wahre Religion zu sein, so schließt das doch nicht aus, dass Christen anderen Religionen mit Achtung begegnen. Eine offene und wertschätzende Haltung gegenüber anderen Religionen war dem Christentum allerdings nicht in die Wiege gelegt. In der Überzeugung, selbst die eine, wahre Religion zu sein, war der Blick auf andere Religionen über Jahrhunderte hin ausschließlich von einer Negativperspektive geprägt, unter der man vor allem die Defizite der anderen herausstellte. Selbstsicher hielt man fest, dass es außerhalb der Kirche kein Heil gebe. Diese Geringschätzung anderer Religionen führte zu Ausgrenzung, Feindseligkeit und sogar zum Einsatz von Gewalt. Dadurch wurde das Bild des Christentums und auch das Bild des christlichen Gottes in der Welt verdunkelt, denn es wurde Menschen außerhalb der Kirche geradezu unmöglich gemacht, den christlichen Gott als den liebenden Vater aller Menschen zu erkennen.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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