Himmlische Tugenden | Teil 02
Bin ich die Caritas?

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Werte neu entdecken
Herbstserie 2021 | Teil 2

Wir wollen lieben, weil Gott uns zuerst geliebt hat. Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott!, aber seinen Bruder hasst, ist er ein Lügner.
Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht
lieben, den er nicht sieht. Und dieses Gebot haben wir von ihm:
Wer Gott liebt, soll auch seinen Bruder lieben. 1 Joh 4, 19–21

Wirkliches Schenken hatte sein Glück in der Imagination des Glücks des Beschenkten. Es heißt wählen, Zeit aufwenden, aus seinem Weg gehen, den anderen als Subjekt denken: das Gegenteil von Vergesslichkeit.

Theodor W. Adorno

Der römische Brunnen
Aufsteigt der Strahl und fallend gießt
er voll der Marmorschale Rund,
die, sich verschleiernd, überfließt
in einer zweiten Schale Grund;
die zweite gibt, sie wird zu reich,
der dritten wallend ihre Flut,
und jede nimmt und gibt zugleich
und strömt und ruht.

Conrad Ferdinand Meyer

Ein Witz ist eine kleine, lustige Gabe
Ein Mittagsmahl im Nonnenkloster. Ein großer Topf Suppe bleibt übrig. Die Äbtissin, wegen ihrer Mildtätigkeit bekannt, beauftragt eine Schwester, das Essen an der nächsten Baustelle zu verteilen. Zuvor aber soll sie prüfen, ob die Arbeiter auch an Gott glauben. Also beginnt die Nonne, die Arbeiter zu testen: „Entschuldigen Sie“, fragt sie den ersten, „kennen Sie Jesus?“ Der schaut sie verdutzt an. Dann dreht er sich um und brüllt zu einem Kollegen: „Kennst du Jesus?“ Antwort: „Wo soll der denn arbeiten, hier am Bau ist er nicht. Wer will denn was von dem?“
„Hier ist seine Alte, die will ihm Essen bringen.“

Impuls

Angeschnorrt auf der Straße um „ein paar Cent“, hört man immer wieder die lässige Rückfrage: „Bin ich die Caritas?“ Das hat dieses Jahr nun die Caritas Österreich für ihre Jubiläumskampagne zu ihrem (fast) 100-jährigen Bestehen als Slogan aufgenommen.
„Ich bin die Caritas“ bekennen darin Menschen, die ihre Augen
vor alltäglicher Not nicht verschließen wollen.
„Milde Gaben“, Almosen zu geben gilt in vielen Religionen als wichtige religiöse Übung und Aufgabe. Und solche handfeste Nächstenliebe ist heute – und das wird wohl auch für die nächste Zukunft gelten – ein zentrales Kriterium für Glaubwürdigkeit.
Daran werden Glaubende, aber auch PolitikerInnen gemessen.

Was macht denn „Mildtätigkeit“ anschaulich, was beweist sie?
Sie zeigt, dass jemand von sich selber und vom Eigenen absehen kann.
Sie deutet an, dass jemand andere in ihrer Not wahrnimmt und davon betroffen ist.
Sie macht deutlich, dass jemand sich selbst als beschenkt weiß.
Sie bestätigt, dass jemand auch anderen etwas vergönnt. 

konkret: Mildtätigkeit

  • Wie weit reicht Ihre Mildtätigkeit?
    Gönnen Sie sich manchmal selbst etwas Gutes?
    Haben Sie Ihre Familie und Freunde im Blick?
    Handeln Sie sozial an Ihrer eigenen Heimat, Gesinnungs- und Glaubensgemeinschaft?
    Und was ist mit Anderen, Fremden, Unsympathischen,
    Schuldigen – und Ihren „Feinden“?
  • Können Sie etwas annehmen? Lassen Sie sich etwas schenken?

Christoph Kainradl
arbeitet als Fachreferent für Liturgie und Sakramente im Fachbereich Pastoral & Theologie

Christoph Kainradl 
arbeitet als Fachreferent für Liturgie und Sakramente 
im Fachbereich Pastoral & Theologie
Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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