Gott in Frankreich | Teil 02
Auch im Bistro: Ségo oder Sarko

Gleich viermal werden die Franzosen in den kommenden acht Wochen zur Wahl gerufen. – Das politische Interesse ist enorm. | Foto: Breser
  • Gleich viermal werden die Franzosen in den kommenden acht Wochen zur Wahl gerufen. – Das politische Interesse ist enorm.
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Ein Cocktail mit rotem Erdbeersaft oder blauem Curaçao-Likör? Für Franzosen ist diese Entscheidung keine bloße Frage des Geschmacks. Die beiden Mischgetränke in einem kleinen Bistro im elitären Pariser Viertel Saint-Germain-des-Prés rufen noch zusätzliche Sinnesreizungen hervor, heißen sie doch Ségo und Sarko – benannt nach Ségolène Royal, der Präsidentschaftskandidatin der (roten) Sozialisten, und dem (blauen) Konservativen Nicolas Sarkozy.

 

Wen wählen Katholiken?
In Umfragen liegt Nicolas Sarkozy seit Wochen vor Ségolène Royal, gefolgt vom bürgerlich-liberalen Zentrumspolitiker François Bayrou. Nicht zu vergessen: der rechtsradikale Jean-Marie Le Pen, welcher laut Meinungsforschung derzeit an vierter Stelle rangiert.

Beeinflussen Religionsbekenntnisse die Wahlentscheidung? Laut einer Umfrage der katholischen Tageszeitung „La Croix“ wählen die Katholiken des Landes mehrheitlich konservativ. Der katholische Sozialgedanke dränge nicht mehr dazu, dem Zentrum oder linken Parteien die Stimme zu geben, analysiert das Blatt. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung erhalte die sozialistische Kandidatin Ségolène Royal von den Katholiken deutlich weniger Stimmen. Sollte es in der Stichwahl zu einer Abstimmung zwischen Royal und Sarkozy kommen, wollen sich 72 Prozent der praktizierenden Katholiken dem konservativen Politiker zuwenden.

Franck Fregost vom wissenschaftlichen Forschungsinstitut CNRS präzisiert: „Die Wahlentscheidung hängt vor allem auch vom Grad der Integration in eine bestimmte religiöse Gemeinschaft ab.“ Katholiken, die sich in einer Pfarre engagieren, würden mit größerer Wahrscheinlichkeit konservativ und rechts wählen. Im Gegensatz dazu würden Protestanten mit einer engen Verbindung an kirchliche Institutionen eher für die Sozialdemokratie und Parteien des linken politischen Spektrums stimmen, erklärt er. Dass François Bayrou, der sich als praktizierender Katholik bezeichnet, laut Umfrage bei den katholischen Gläubigen nicht auffallend punkten kann, mag wundern. Meinungsforscher haben jedoch eine Erklärung: „La vote utile“ – eine Wahlentscheidung, die man bloß aus taktischen Überlegungen trifft.

 

Eine muslimische Stimme?
Angesichts der Unruhen im Herbst 2005 debattiert man nun auch über eine typisch muslimische Wahlentscheidung: „Jene, die sich als Muslime bezeichnen, wählen großteils linke, zum Teil auch kommunistische Parteien“, erläutert Fregost. Viele von ihnen hätten herabwürdigende Provokationen nicht vergessen, die rechtsradikale Politiker und auch der konservative Sarkozy damals von sich gaben, sagt er.

 

Viele Faktoren beeinflussen
Franck Fregost warnt vor einer Überbewertung der Religionen: „Die Wahl wird mehr durch die soziale Herkunft als durch die Religion bestimmt. Religiöse Bekenntnisse spielen bei dieser Abstimmung nur eine sekundäre Rolle.“ Meinungsforscher gehen davon aus, dass Frankreichs sechs Millionen Arbeiter und sieben Millionen einfache Angestellte, die besonders unter der Globalisierung leiden, den entscheidenden Ausschlag geben werden und sich am Wahltag auf denjenigen festlegen, der am überzeugendsten Schutz verspricht. Arbeitslosigkeit, sinkende Kaufkraft und der Rückgang der Industrieproduktion schüren eben Angst.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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