APROPOS Jesus | 60 Fragen - 60 Antworten
38. War Jesus „ausländerfeindlich“?

Nein, mehrere Stellen in den Evangelien belegen: Jesus hatte keinen Fremdenhass. Aber halt! Da gibt es eine Erzählung (Mt 15,21–28 par.), die anderes vermuten lässt: Als Jesus sich einmal in das „heidnische Ausland“ (im Gebiet von Tyrus und Sidon) zurückgezogen hatte, lief ihm eine kanaanäische Frau (Syrophönizierin) nach und flehte ihn an, ihre „von einem Dämon gequälte“ Tochter zu heilen. Aber Jesus ignoriert sie zuerst. Warum?
Hier klingt an, was weitaus mehr als ein kleiner Kulturunterschied ist. Es ist der alte (den eigenen kanaanäischen Ursprung verkennende!) Gegensatz zwischen Israel und Kanaan. Schon der hochbetagte Abraham fordert im ersten Buch der Bibel durch Eid, dass sein Sohn „keine Frau von den Töchtern der Kanaaniter“ nehmen darf (Gen 24,1–4). War der Jude Jesus davon beeinflusst?

Aber die Frau hörte nicht auf, Jesus hinterherzulaufen. Da sagten seine Jünger zu ihm: „Schick sie fort, denn sie schreit hinter uns her!“ Er antwortete: „Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt.“ Doch sie kam, fiel vor ihm nieder und sagte: „Herr, hilf mir!“ Und da zitierte Jesus ein „Prinzip“, das uns heute schroff anmutet, aber dem damaligen jüdischen Erwählungsgedanken entsprach: „Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den kleinen Hunden vorzuwerfen.“ Die „Heiden“ waren demnach bestenfalls „kleine Hunde“. Aber die Frau lässt sich davon nicht abschrecken. Sie scheint zu spüren: Jesu Herz ist größer als solche „Prinzipien“. Sie nimmt ihn beim Wort und trickst ihn gerade damit aus: „Ja, Herr! Aber selbst die kleinen Hunde essen von den Brotkrumen, die vom Tisch ihrer Herren fallen.“ Das sitzt. Und Jesus scheint durch das hartnäckige Vertrauen dieser heidnischen Ausländerin, den Willen Gottes, seines Vaters, tiefer erkannt zu haben. Jetzt lobt er sie: „Frau, dein Glaube ist groß. Es soll dir geschehen, wie du willst.“ – Jesus war also lernfähig.

Noch eine Information: Schon im Israel der vorchristlichen Jahrhunderte gab es nicht nur Ablehnung gegenüber den „Heidenvölkern“, sondern man unterhielt Handelsbeziehungen zu den beiden „kanaanäischen“ Stadtstaaten am Mittelmeer (Tyrus und Sidon). Das ganze Land stand unter direktem religiösem und kulturellem Einfluss der Region Phöniziens, die sich westlich des Libanons befand. Und Jesus? – Auch er hatte dort schon bald seine „Fans“. In den Evangelien liest man bereits an früherer Stelle, dass der Ruf Jesu sich „in ganz Syrien“ verbreitete (Mt 4,24). „Aus der Gegend von Tyrus und Sidon kamen Scharen von Menschen zu ihm, als sie hörten, was er tat.“ (Mk 3,8)

Eine besondere Begegnung Jesu mit einem „Ausländer“ war auch die mit dem römischen Hauptmann von Kafarnaum, über den Jesus erstaunt sagt: „Einen solchen Glauben habe ich in Israel nicht gefunden.“ (Lk 7,9 par.) Erinnert sei auch an das Gleichnis vom barmherzigen Samariter oder an die Begegnung Jesu mit der Samariterin am Jakobsbrunnen, die er sogar um Wasser bittet. Dort ist es diese Frau, die ihn überrascht fragt: „Wie kannst du als Jude mich, eine Samariterin, um etwas zu trinken bitten? Die Juden verkehren nämlich nicht mit den Samaritern.“ (Joh 4,9) – Für Jesus gibt es diese Grenzen nicht. Nein, er kommt ganz natürlich mit ihr ins Gespräch …

Das Fazit? – Jesus geht es mehr um das verbindende Vertrauen als um die trennende „Heimat“. Einen Ausblick auf eine neue universale, völkerverbindende Ordnung, ja auf eine „neue Welt“ bzw. „neue Erde“, schenkt das letzte Buch der Bibel, die Offenbarung des Johannes: „Seht die Wohnung Gottes unter den Menschen. Er wird in ihrer Mitte wohnen und sie werden sein Volk sein; und er, Gott, wird bei ihnen sein.“ (Offb 21,3; vgl. auch 7,9)

Irene Maria Unger

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Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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