APROPOS Jesus | 60 Fragen - 60 Antworten
35. War Jesus auch einmal krank? Litt er auch Schmerzen?
Als etwa Dreißigjähriger beginnt Jesus sein Wirken in Galiläa. Ein Alter, in dem vielleicht schon kleine Wehwehchen beginnen, aber man im Idealfall körperlich noch topfit ist.
Jesus tritt selbst als helfender Wundertäter auf – keine Seltenheit im 1. Jahrhundert. In jüdischen Schriften findet man die Namen der Heiler Eleazar, Chanina ben Dosa, Chanan ha-Nehba und Choni. Nur einer kleinen Elite war es damals möglich, im Krankheitsfall einen Arzt zu konsultieren. Ärzte waren sehr teuer. So erfährt man im Markusevangelium, dass eine Frau schon zwölf Jahre an Blutfluss litt: „Sie war von vielen Ärzten behandelt worden […]; ihr ganzes Vermögen hatte sie ausgegeben, aber es hatte ihr nichts genutzt.“ (Mk 5,26) Das Berühren des Gewandes Jesu soll sie laut biblischem Bericht geheilt haben. Eigentlich war es aber ihr Glaube, der sie geheilt hat. „Dein Glaube“, sagt Jesus, „hat dich gerettet. Geh in Frieden! Du sollst von deinem Leiden geheilt sein.“ (Mk 5,34) Auch im antiken Israel führte man Krankheiten u. a. auf den Mangel an Lebensenergie zurück. Von Jesus muss also Kraft ausgegangen sein. Seine Devise lautete: „Alles kann, wer glaubt.“ (Mk 9,23)
Was passiert aber, wenn der „Arzt“ selbst erkrankt? Was, wenn der „Therapeut“ seine mentale Stärke verliert? – Auch Jesus hatte Phasen, in denen er schwach wurde, ja, seelische Schmerzen litt. Vor seiner Gefangennahme „ergriff ihn Traurigkeit und Angst“ (Mt 26,37) und er brauchte seine Freunde, die ihm Beistand leisteten: „Meine Seele ist zu Tode betrübt. Bleibt hier und wacht mit mir!“ (Mt 26,38) Tief traurig suchte er Halt bei ihnen und reagiert enttäuscht, als er bemerkte, dass seine müd gewordenen Begleiter einfach eingeschlafen waren: „Konntet ihr nicht einmal eine Stunde mit mir wachen?“ (Mt 26,40) – Schmiss selbst Jesus seine Nerven weg? Nein, aber er war bedrückt. Er war eben auch Mensch!
Auch körperliche Schmerzen wird er – wie wir – in jeder einzelnen Faser gespürt haben. Nach seiner Verhaftung musste er sich vor dem Hohen Rat verteidigen und erfuhr körperliche Gewalt: „Dann spuckten sie ihm ins Gesicht und schlugen ihn. Andere ohrfeigten ihn.“ (Mt 26,67 par.) Doch das war erst der Beginn des buchstäblichen „Kreuzweges“. Er wurde gefesselt und gegeißelt, sie setzten ihm einen Kranz aus Dornen auf den Kopf und schlugen noch mit einem Stock drauf. Nachdem er den Kreuzesbalken auf die „Schädelhöhe“ (Golgota) schleppen musste, boten ihm die Soldaten zur Schmerzlinderung mit Galle [bei Markus: Myrrhe] vermischten Wein zum Trinken an und kreuzigten ihn. Kurz vor seinem Sterben „schrie er [vor Schmerzen] mit lauter Stimme“ und „hauchte den Geist aus“ (Mk 15,37). Eine wahre Leidensgeschichte.
Noch ein Hinweis: Jesus wurde wohl mit einem Riemenbündel, an dem Bleikugeln oder Knochenstücke befestigt waren, ausgepeitscht. Das führte zu hohem Blutverlust, weil die Haut und das Fleisch dabei zerfetzt wurden. – Im Jerusalemer Stadtteil Giv’at Hamivtar fand man 1968/69 in einer Knochenkiste aus dem 1. Jahrhundert das mit einem 17 cm langen Nagel durchbohrte Fersenbein eines gekreuzigten Mittzwanzigjährigen. Zudem waren wohl auch dessen Elle und Speiche mit Nägeln durchbohrt worden. Eine grausame Hinrichtungsart, bei der es durch die Zuglast des Hängenden zur Atemnot und zum Kreislaufkollaps kam. Ähnliches erlitt wohl auch Jesus. Allerdings wurde sein Leichnam, obwohl es gängige Praxis war, den Verurteilten das Begräbnis zu verweigern, nicht von wilden Tieren gefressen, sondern gesalbt und bestattet (vgl. Mk 15,42–47 par.). Dennoch: Die Qualen, die Jesus zugemutet wurden, sind an Grausamkeit fast nicht zu überbieten!
Zurück zur Eingangsfrage: Ja, Jesus kannte Schmerz. Seelisch wie körperlich.
Irene Maria Unger
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.