Steirische Missionare | Sr. Emilie Schmidt | Teil 2
... Eine Mission, die trägt
Die Erfahrung, getragen zu sein, war für Sr. Emilie Schmidt ein gutes Fundament für die spätere Arbeit als Missionsschwester.
Ich bin als erstes von sieben Kindern geboren, und ich bin als ,Krüppel‘ geboren.“ So erzählt Sr. Emilie und findet keine besseren Worte dafür. 1936 war es durchaus üblich, Kinder, die mit verkrümmten Fußknöcheln geboren wurden, so zu bezeichnen. Maria, so war der Taufname von Sr. Emilie, konnte sich fortan nur mehr auf dem Boden kriechend fortbewegen.
Trotz der schwierigen Jahre besuchte Maria die Schule. Vater, Mutter, Bruder, hilfsbereite Menschen im Dorf haben das Mädchen einfach zur Schule getragen, bei jedem Wetter. Damals hat noch niemand von Integration und Inklusion gesprochen, es war einfach selbstverständlich. „Als Kind habe ich nie verstanden, warum mich mein Vater so viel getragen hat. Wenn wir Verwandte besuchten, wurde ich von meinem Vater oft drei Stunden hin und drei Stunden zurück getragen. Seine Antwort: ,Du gehörst doch zur Familie. Wir haben dich genauso gerne.‘ Er war ein milder Vater, der nie geschimpft hat, aber uns Kinder geduldig zur Seite nahm, wenn etwas nicht in Ordnung war, um uns zu belehren. Wenn wir etwa beim Spielen nach der Maisernte zum Spaß einfach den Mais-Bart ausgerupft haben. Vater hat uns dann erklärt, dass die Maiskolben jetzt schneller vertrocknen und sie nicht mehr zum Braten geeignet sind. Wir waren dann einsichtig, und die Sache war vergeben und vergessen – so haben wir gelernt, selbst zu vergeben und auch, dass Gott uns vergibt.“
Die Kriegsjahre waren für die Frauen besonders hart, und als der Bürgermeister den Antrag der Mutter, ihrem Mann Ernteurlaub von der Front zu gewähren, nicht unterschreiben wollte, ging das kleine Mädchen schnurstracks selbst zum Bürgermeister, der war unbeeindruckt, dann ging sie zum Polizeiwachtmeister, und der hat tatsächlich ein Gesuch geschrieben, und Vater durfte zur Ernte nach Hause kommen.
Dass die Geschichte dann doch nicht gut ausgegangen und der Vater in den letzten Kriegsmonaten 1944 in Polen gefallen ist, trübt die Augen von Sr. Emilie auch heute noch. Er wurde auf dem Grundstück eines Bauern gefunden und begraben. Dieser hat dann die letzten Habseligkeiten mit Hilfe des örtlichen Pfarrers und der Erkennungsmarke des toten Soldaten an die Familie in Hartmannsdorf geschickt.
Diese elementaren Erfahrungen eines Kindes, dass Leid und Anderssein durch Mitgefühl und Geschwisterlichkeit überwunden werden können, gepaart mit einem gesunden Gerechtigkeitsgefühl und einem tiefen Vertrauen in die Liebe von Vater und Mutter, waren eine gutes Fundament für die spätere Arbeit als Missionsschwester, gerade in einem von der Rassentrennung zerrissenen Land Afrikas.
Als Sr. Emilie 1962 ins Land kam, hieß es „learning by doing“. Die Sprachen Afrikaans, Zulu und Englisch musste sie sich im Umgang mit den Menschen und Kindern an der Schule aneignen. Sie hat dann sehr schnell das Schülerinternat übernommen. Für sie haben die Kinder keinen Unterschied in der Hautfarbe gemacht, wenn, waren es nur die Eltern. Im „Ruhestand“ hat sie zwei Mitschwestern gepflegt, ist im Convent „die gute Seele“. Sie besucht Kranke im Altersheim und unterstützt die Nothilfe der Pfarre in den Elendsvierteln. Ja, und dann ist da noch das Gebet. „Ich weiß nicht warum, aber in der Stadt kommen oft wildfremde Leute auf mich zu und vertrauen mir ihre Sorgen an und bitten um das Gebet, und so trage ich sie mit, um für sie zu bitten.“
Sr. Emilie schließt sich den jungen Novizinnen Nadiela und Shanice an, die sie in die Mitte nehmen, auf dem Weg zur Kapelle, um die Vesper zu beten. Unwillkürlich fallen meine Blicke auf die Füße von Sr. Emilie – und ich staune über ihren aufrechten Gang.
Ernst Zerche
O-Ton
Sr. Anthony Embuyani, Novizenmeisterin
Für mich sind die Schwestern aus der Steiermark einfach inspirierend. Ihre
franziskanische Gastlichkeit ist offensichtlich.Für mich unterscheiden sie sich auch von anderen Frauenorden in der Diözese. Es ist ihre Einfachheit und Bodenständigkeit, die mich so beeindruckt. Die zeigt sich etwa, wenn sie uns in unserem Zuhause besuchen und gleich ein Teil von uns werden. Für mich haben sie die Menschlichkeit unseres Herrn Jesus wirklich verstanden. Für sie gibt es keinen Unterschied in der Hautfarbe, das habe ich auch gemerkt, als ich zur Provinzoberin gewählt wurde. Ihr Respekt hat mir gezeigt, dass weder Alter noch Hautfarbe für sie einen Unterschied machen. Ihr Leben hier macht deutlich, warum sie nach Südafrika gekommen sind und ihr Zuhause verlassen haben.
Südafrika
Südafrika hat derzeit ca. 57 Millionen Einwohner. Mit geschätzten 4 bis 6 Millionen Zuwanderern ist Südafrika eines der größten Einwanderungsländer der Erde. Fast 80 Prozent sind Christen unterschiedlichster Kirchenzugehörigkeit, davon ca. 9 Prozent Katholiken. Die stärkste Gruppe bilden die unabhängigen Afrikanischen Kirchen mit 26 Prozent.
Die Franziskanerinnen von der Unbefleckten Empfängnis (Grazer Schulschwestern)
Der steirische Comboni-Missionar Johannes Riegler (Söchau) und spätere Bischof von Lydenburg-Witbank (1951–55) hat die „Grazer Schulschwestern“ im Jahre 1938 nach Südafrika eingeladen. Es begann mit zehn Schwestern, die unter großen Entbehrungen Aufbauarbeit leisteten.
1957 konnten sich die Schwestern mit einer Privatschule in Nelspruit selbstständig machen. Dort befinden sich auch Convent und Noviziat des Ordens. Die St. Peter’s School mit Nachmittagsbetreuung und Pre-school hat früher als andere Schulen, auch unter Gefahren und Verfolgung, die Rassentrennung überwunden.
Die derzeitige Verantwortliche für das „Vikariat Südafrika“, Sr. Elsie Moyo, leitet das Lumko-Centre, ein Bildungsangebot der Südafrikanischen Bischofskonferenz in Johannesburg, das wegweisende Unterlagen für die Beteiligung von Laien in der Kirche erstellt hat. „Bibel teilen“ (siehe auch Sonntagsblatt+Plus, Seite 2) und die „Kleinen Christlichen Gemeinschaften“ haben dort ihren Ursprung. Andere Schwestern arbeiten noch in Daantjie, einer Siedlung mit prekären sozialen Verhältnissen, und in der Kohleregion von Witbank und Middelburg.
Ernst Zerche
EINBLICKE
Ein Zeugnis gegen Rassismus
Ich habe die Grazer Schulschwestern vor vielen Jahren bei meinem ersten Aufenthalt in Südafrika kennen und schätzen gelernt und ihre Gastfreundschaft genossen. Unter ihnen waren auch Sr. Emilie und andere Missionarinnen aus ihrer Gemeinschaft.
Für mich war Südafrika mit seiner strikten Rassentrennung damals ein Schockerlebnis: Warum durfte ich als Weißer mit einem schwarzen Mitbruder nicht im selben Restaurant zum Mittagessen gehen und mit ihm nicht im selben Bus fahren? Rassistische Vorurteile, eine kaum zu leugnende Geringschätzung, ja Verachtung der farbigen Bevölkerung waren auch in der katholischen Kirche keine Seltenheit. Es ist nicht zu leugnen, dass wir Missionare aus Europa diesbezüglich – nicht nur in Südafrika – lange Lernprozesse durchlaufen mussten, bevor uns die Fragwürdigkeit mancher unserer Einstellungen bewusst wurde.
Was sagt uns dieses Bild einer über achtzigjährigen Missionsschwester aus der Steiermark, die junge Afrikanerinnen wie eine Mutter in die Arme schließt? Sie hat in ihrem langen Leben in einem Land voll von zahlreichen Konflikten und Diskriminierungen lernen dürfen, dass es „in der Mission“ zuerst um das Bemühen um liebe- und respektvolle Beziehungen geht. Missionarinnen wie Sr. Emilie sind ein stiller Protest gegen Rassismus, der hierzulande nicht nur von Politikern verschiedener Coleur zur Schau getragen wird, sondern der – hoffentlich nicht zu häufig – auch in manchen Kreisen unserer Kirche zu spüren ist.
Franz Weber
Autor:Ingrid Hohl aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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