Leserreise
Das Baltikum erleben
Dünen, Bernstein, Städte und noch Meer faszinierten bei der SONNTAGSBLATT_Reise.
Die russische Invasion in der Ukraine elektrisiert. Dennoch entschließen wir uns, nachdenklich und vorsichtig: „Auf ins Baltikum!“ Die Menschen dort sind dankbar: „Viele deutsche Reisegruppen sagen ab, großartig, dass die Österreicher kommen!“ Die Reiseroute – wir bewältigen sie mit zwei Bussen – ist schnell erzählt: Wir erkunden knapp 4000 Straßenkilometer und 1200 km auf der Ostsee per Schiff in acht Ländern: Österreich – Tschechien (Olmütz) – Polen (Tschenstochau, Warschau) – Litauen (Vilnius, Elektrenai, Kaunas, Klaipeda, Kurische Nehrung, Nidden, Berg der Kreuze) – Lettland (Riga, Turaida) – Estland (Pärnu, Tallinn) – per Fähre nach Finnland (Helsinki) – per Fähre nach Deutschland (Travemünde, Lübeck, Fulda, Regensburg) – Graz.
Nachdenklich-hoffnungsvoll. Die Reise ins Baltikum führt uns gedanklich zurück in die dramatischen (geo-)politischen Umbrüche seit dem 2. Weltkrieg. Wir erahnen jahrzehntelanges Leiden dieser Völker jenseits des „Eisernen Vorhangs“. Besonders schätzen wir die Erzählungen und Berichte der Einheimischen. Sie haben die Geschehnisse in der Zeit der sowjetischen Besatzung selbst miterlebt. Heute sind sie stolz auf die Entwicklungen ihrer Länder seit deren Unabhängigkeit, und sie beschreiben die gegenwärtigen Ereignisse wehmütig und zugleich voll Hoffnung.
Katholiken, Protestanten, Bekenntnislose. Auf unserer Reise durchfahren wir religiös unterschiedlich geprägte Zonen. Das Fest „Mariä Aufnahme in den Himmel“ erleben wir mit 450.000 Pilgern im polnischen Tschenstochau. Nirgendwo wird der Stellenwert der katholischen Kirche in der polnischen Gesellschaft so augenscheinlich wie hier. In Litauen, ebenfalls katholisch geprägt, besuchen wir in Elektrenai die Marienkirche „Königin der Märtyrer“. Sie wurde 1996 als Antwort auf jene langen Jahre erbaut, in denen Elektrenai als „atheistische Musterstadt“ ohne Religion gegolten hat.
Beeindruckend erzählt uns Pfarrvikar Gintas Petkevicius, dass seine Großeltern unter Stalin nach Sibirien deportiert worden waren und seine Großmutter ihr neugeborenes Kind dem Schutz der Muttergottes anvertraute. Der Glaube half ihnen, diese harten Zeiten zu überleben. Der „Berg der Kreuze“ gilt als nationales Heiligtum in Litauen. In der kommunistischen Zeit einige Male niedergewalzt, zeugen heute über 100.000 Kreuze vom religiösen Leben und auch vom litauischen Unabhängigkeitsstreben. In Lettland beeindruckt der interkonfessionelle Austausch, in Estland schließlich erstaunt die große Anzahl der Menschen ohne religiöses Bekenntnis (72%). Lediglich 6000 Menschen bekennen sich zum katholischen Glauben. Pater Wodzisław Szczepanik, der eine Pfarre mit nur 30 Mitgliedern in Pärnu betreut, freut sich über unsere Teilnahme an der hl. Messe. „So viele Menschen waren noch nie auf einmal in dieser Kirche!“
Natur, Singen und Meer. Auf der Kurischen Nehrung durchwandern wir einen herrlichen Dünenweg, auf der Tallinner Sängerfestwiese (hier begann 1988 mit der Singenden Revolution der Weg zu Estlands Unabhängigkeit) singen wir das deutsch-baltische Kirchenlied „Wie groß bist du“, und das Morgenlob auf dem Schiff nach Travemünde lassen wir mit „Großer Gott, wir loben dich“ ausklingen
Heinz Finster
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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