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Wie geht „dazulernen“?
Durch Lesen, Studieren oder eher beim Tun, Anpacken und Ausprobieren? Weil Menschen uns zeigen, wie’s geht? Durch Predigten? Wenn jemand uns zum Tun ermutigt oder wenn uns das Leben Steine in den Weg legt? Wie und durch wen haben Sie in Ihrem Leben dazugelernt?
Lernen
Mancherlei lässt sich aus Büchern lernen, vieles nur im „praktischen Leben“. Lebenserfahrungen anderer Menschen kommen wiederum oft in Buchform zu uns. Kerstin Margaretha Zöhrer gibt uns einen Einblick in ihr Dazulernen außerhalb des Hochschulgebäudes. Rosemarie Kurz, die soeben ihren 85. Geburtstag feierte, ist für ihr ehrenamtliches Engagement für lebenslanges Lernen und Generationensolidarität bekannt. Ihren Doktor machte sie mit 63. Viele Aspekte des (Dazu-)Lernens hat sie im Lauf der Jahre hautnah erlebt, erarbeitet, wohl auch erlitten. Im Dezember wird man in ihrer Autobiografie mehr lesen können (die man via Crowdfunding unterstützen kann: https://wemakeit.com/projects/unruhestand).
»Natürlich ist etwas zu „lernen“ in diesen Zeiten etwas sehr Einsames.«
Kerstin Margaretha Zöhrer
aus Gössendorf studiert im Bachelorstudium Lehramt Sekundarstufe Allgemeinbildung die Fächer Mathematik, Geschichte, Politische Bildung und Sozialkunde.
Studierende aus ganz Österreich sind bereits über ein Jahr in der Onlinelehre. Die meisten haben ihre Nebenjobs verloren und standen vor einer Existenzkrise. Politiker vertrösteten uns sehr lange in beiden Bereichen des Lebens. Was tun also, wenn man unausweichlich mehr Zeit zur Verfügung hat und nirgendwohin gehen kann? Jeder hat diese Frage für sich selbst beantworten müssen. Als angehende Lehrperson tat ich das mir Naheliegendste: lernen.
Lernen zu lehren. Lernen, um im Studium weiterzukommen. Lernen, wie man allein einen Haushalt führt, und lernen, wie man das Bestmögliche aus dieser Situation herausholen kann. Ich bildete mich in den technischen Möglichkeiten weiter. Zum einen, weil es die Professoren an der Uni für selbstverständlich hielten, dass wir uns in den verschiedenen Aspekten des Internets und digitalen Medien auskannten. Zum anderen, weil ich es in meiner Zukunft auch wirklich brauchen kann, um einen differenzierten Unterricht halten zu können.
Natürlich ist etwas zu „lernen“ in diesen Zeiten etwas sehr Einsames, da man sich nicht persönlich mit jemandem austauschen kann. Der übliche Weg in die Bibliothek fehlt, da diese geschlossen ist. Somit ist man gezwungen, Stunde um Stunde vor dem Computer, Laptop oder sonstigen elektronischen Gerät zu sitzen und sich die Dinge selbst beizubringen. Allerdings fängt man dadurch an, die sozialen Kontakte zu schätzen, und man lernt den Freundes- und Familienkreis aus einer anderen Perspektive kennen. Schwache Beziehungen zerbrechen, da man sich nicht treffen kann. Die wirklich wichtigen aber werden stärker als jemals zuvor.
»Was Hänschen nicht lernte, lernen Grete und Hans noch allemal.«
Rosemarie Kurz
geboren 1936, schreibt gerade an ihrer Autobiografie „Unruhestand! Gelassener werde ich nie“.
Die Fülle des angebotenen Wissens ist ein golden strahlender Mittelpunkt meines Lebens. In Corona-Zeiten musste ich mit Mühe das Zoomen erlernen, um zur Familie den Kontakt aufrechtzuerhalten und bei internationalen Konferenzen mein Wissen weiterzugeben. Bildung ist unser höchstes persönliches Gut. Sie umfasst alles, was wir ein Leben lang erlernt, erfahren, erlitten haben.
Als angehende Lehrerin wohnte ich im Katholischen Lehrerinnenheim. In Bildungsstätten gab es damals Geschlechtertrennung. Mir kam zuOhren, dass für die männlichen Kollegen reichhaltigeres Essen am Menüplan
stand, während wir uns mit Reis und Rohnen zufrieden-geben sollten. Ich rief zum Hungerstreik! Der Ausgangssperre folgte eine Verbesserung unseres Essens. Ichhabe gelernt, dass sich durch Nachdenken und konsequentes Handeln jede Situation verändern lässt. Kleine Aufstände im Alltäglichen können flächendeckend Neues anregen. Erfolgversprechend sind sie, wenn sie von einer kritischen Masse als Reaktion auf deren Bedürfnisse und Lebenswelten mitgetragen werden.
Das ins eigene Sein integrierte Wissen unterstützt uns bei der Bewältigung immer neuer Herausforderungen während des ganzen Lebens, auch im Alter. Es reicht nicht, dass wir vom in der Jugend gelernten Wissensstock den Rest desLebens zehren, denn auch Wissen veraltet. Und doch gibt es so etwas wie Wissensaskese. Besonders im Alter ist es notwendig, jeden Tag zwischen Unter- und Überforderung zu pendeln. Es geht darum, Verantwortung für sich selbst und andere zu übernehmen, eigene Vorstellungen zu formulieren und auch durchzusetzen.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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