Erzbischof em. Alois Kothgasser
Weckruf zum Priester
Erzbischof em. Alois Kothgasser beginnt sein „Leben in Stationen“ im heimatlichen Lichtenegg.
Als ich später in meinem Leben einmal von einem Firmling gefragt wurde, ob ich schon immer an Jesus Christus geglaubt habe, erzählte ich von meiner Kindheit, meinen Eltern und Großeltern, dem alten Pfarrer meiner Heimatgemeinde St. Stefan im Rosental und dem jungen Herrn Kaplan, der mir, wie alle anderen auch, ein lebendiges und vor allem bleibendes Vorbild darin war, meinen Weg zu Jesus im Gebet, bei der heiligen Messe und durch die Begegnung mit dem Nächsten zu finden.
Denke ich an diese Zeit zurück, erfüllt mich eine große Dankbarkeit, denn trotz des Krieges, der nur fünfzehn Monate nach meiner Geburt zu wüten begann und Europa und die ganze Welt ins Unglück stürzte, fehlte es mir und meinen Geschwistern an nichts, denn die kleine Landwirtschaft meiner Eltern Josef und Aloisia Kothgasser in der Teilgemeinde Lichtenegg warf für uns alle genügend ab … In der Sorge füreinander wie für uns Kinder, aber vor allem durch ihr tägliches Glaubenszeugnis, das nicht übertrieben oder außergewöhnlich, sondern allenfalls gesund in seiner bodenständigen Frömmigkeit war, gaben meine Eltern mir ein lebenslanges Beispiel …
Bis zu meinem vierzehnten Lebensjahr ministrierte ich leidenschaftlich gern und häufig in der Pfarrkirche von St. Stefan. Das hieß, wenigstens zweimal in der Woche vor dem Schulbeginn und an jedem Sonntag liefen ich und mein jüngerer Bruder Hans eine Dreiviertelstunde von unserem Wohnhaus in Lichtenegg zur Pfarrkirche, um an der heiligen Messe um sechs Uhr teilzunehmen, was nicht weniger bedeutete, als um fünf Uhr in der Früh aufzustehen und dennoch fit genug für den Schulunterricht zu sein, was mir jedoch, Gott sei Dank, recht gut gelang.
Bei einer solchen Messfeier geschah es dann, was ich zwar meinen Weckruf, aber noch nicht meinen eigentlichen Ruf zum Priester nenne: Wie immer während der Predigt von Pfarrer Josef Wiedner saßen wir Ministranten auf den Stufen unter der Kanzel und lauschten – der eine mehr, der andere weniger – seinen Ausführungen. Doch an diesem Tag hatten die Worte eine besonders starke Wirkung auf mich. Vor allem war es ein Vers aus dem Markusevangelium, der mir im Gedächtnis blieb und mich noch lange, ich will behaupten bis heute, beschäftigte: „Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber an seiner eigenen Seele schaden leidet?“ (Mk 8,36) Es war und ist diese Frage, die mein religiöses Denken und Handeln seither bestimmt hat … Letzlich war es dann ein junger Kaplan (Martin Hrvatic), der mir bei meinem Suchen nach Antworten die Richtung wies.
Mein Leben in Stationen
19,90 Euro Tyrolia Verlag
In dieser Autobiografie nimmt der ehemalige Bischof von Innsbruck und Erzbischof von Salzburg Alois Kothgasser die Lesenden mit auf Stationen seines Lebens: von der steirischen Heimat in Lichtenegg bei St. Stefan im Rosental über seine Ausbildung, die Zeit als Salesianer Don Boscos in Turin, Rom und Benediktbeuern und seine Wirkungsstätten als Bischof bis zum jetzigen Lebensort Baumkirchen in Tirol. Dabei gibt er ein Zeugnis seines Glaubens und seiner menschenfreundlichen Seelsorge.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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